Abschaffung des Ehegattensplittings — Beschäftigungspolitik vs. Familienpolitik
Abstract
Das Ehegattensplitting ist im Zusammenhang mit der Finanzierung der Kindergrundsicherung wieder einmal in den Fokus der öffentlichen Diskussion geraten. Das Ehegattensplitting wird sowohl verteilungspolitisch als auch unter Effizienzgesichtspunkten kritisiert. Wir zeigen, dass Verteilungsgesichtspunkte eher für als gegen das Ehegattensplitting sprechen. Zwar steigt der Splittingeffekt absolut gesehen mit zunehmendem Einkommen. Wenn man allerdings die Verteilungswirkungen des Ehegattensplittings mit den üblichen Verteilungsmaßen misst, zeigt sich für eine Individualbesteuerung eine ungleichere Nettoeinkommensverteilung ebenso wie eine geringere Steuerprogression. Auch der Vorwurf, das Ehegattensplitting fördere das Institut Ehe, nicht jedoch Familien mit Kindern, ist nicht haltbar. Der Splittingeffekt entfällt zu 90 % auf Ehepaare mit Kindern. Ebenso wenig fördert das Ehegattensplitting Einverdiener-Ehepaare mit hohem Einkommen. Zumindest führt diese Förderung nicht dazu, dass Einverdiener-Ehepaare vor allem im Bereich hoher Einkünfte anzutreffen sind. Tatsächlich befinden sich rund 60 % der Einverdiener-Ehepaare in den unteren drei Einkommensdezilen. Im Hinblick auf das Arbeitsangebot verheirateter Frauen ist das Ehegattensplitting dagegen eindeutig negativ zu beurteilen. Neueste Schätzungen gehen davon aus, dass sich dieses Arbeitsangebot um rund 109.000 Vollzeitäquivalente bei einem Übergang zur Individualbesteuerung erhöhen würde. Im Hinblick auf die Compliance Costs ist wiederum das Ehegattensplitting vorzuziehen, da hierbei kein Anreiz zur Verlagerung steuerlicher Abzugsbeträge, wie Sonderausgaben und außergewöhnliche Belastungen, auf den besserverdienenden Ehegatten besteht. Noch effektiver ist die Verlagerung von Einkünften auf den weniger verdienenden Partner. Da der Anreiz für derartige Gestaltungen Millionen von Ehepaaren (allein rund drei Millionen Paare haben unternehmerische Einkünfte) betrifft, ist kaum davon auszugehen, dass die Finanzverwaltung solchen Gestaltungen hinreichend entgegenwirken kann. Da Paare mit hohem Einkommen in besonderem Maße von solchen Transfers profitieren, ist dies auch unter Gleichmäßigkeitsgesichtspunkten bedenklich.