Verhinderung von Kollusion

Die Organisationsgestaltung ist eine wichtige Determinante für Unternehmenstransparenz. In einer kürzlich veröffentlichten Studie im Management Science modelliert Anja Schöttner zusammen mit Matthias Kräkel, was passiert, wenn ein Unternehmen den Vertrieblern* Autonomie in der Preisgestaltung ihrer Produkte einräumt. Sie untersuchen das optimale Zusammenspiel zwischen Delegation, Anreizzahlung und der Wirtschaftsprüfungstechnologie des Unternehmens anhand eines vertrags-theoretischen Modells, wie Schöttner weiter unten erläutert.

 

Der persönliche Verkauf durch Außendienstmitarbeitern ist für viele Unternehmen ein wichtiger Vertriebsweg. Eine langjährige Frage ist, ob und wann Unternehmen ihren Vertrieblern die Befugnis zur Preisfestsetzung einräumen sollten. Insgesamt sind oder sollten Außendienstmitarbeiter besser darüber informiert sein, welchen Preis Konsumenten bereit sind für eine Dienstleistung oder ein Produkt zu zahlen, als Manager. Dies würde dafürsprechen, den Verkäufern die Freiheit zu geben, den Preis ihrer Produkte festzusetzen. Das grundlegende Problem ist, dass aus Unternehmenssicht das Preisverhalten zwischen ihren Verkäufern und Kunden dadurch intransparent werden kann. Insbesondere könnten Vertrieblern bei der Preisfestsetzung mit den Kunden zusammenarbeiten, sie könnten zum Beispiel Schmiergelder akzeptieren, eine Form der ausgehandelten Bestechung, bei der der Verkäufer für die Gewährung eines Preisnachlasses eine Provision erhält. Das Unternehmen kann zwei Dinge gegen Kollusion tun: Es kann entweder einen fixen Preis für alle Kunden festlegen oder es kann eine leistungsabhängige Bezahlung einführen, die den Vertreter für den Verkauf zu hohen Preisen belohnt und damit den Anreiz verringert, Schmiergelder für den Verkauf zu einem niedrigen Preis anzunehmen. Wir haben die optimale Ausgestaltung und die Delegation von Entscheidungsrechten an die Außendienstmitarbeiter mithilfe eines vertrags-theoretischen Modells untersucht.

 

Unser Modell

Wir haben die Situation zwischen Handelsvertretern und Kunden modelliert. In unserem Modell haben der Vertriebler und ein Kunde ein Verkaufsgespräch, bei dem der Vertreter in der Lage ist, den Wert zu bestimmen, den der Kunde dem Produkt beimisst: den Preis, den er zu zahlen bereit ist. Diese Information bleibt zwischen dem Vertreter und dem Kunden, das Unternehmen wird nicht über die Bewertung des Kunden informiert. In dem Fall, dass die Bewertung des Kunden höher als der niedrigste Preis ist, den der Vertreter verlangen darf, können Kunde und Vertreter zusammenarbeiten. Der Vertreter kann seinen niedrigsten Preis anbieten und damit dem Kunden einen Preisnachlass gewähren und erhält im Gegenzug von dem Kunden ein Schmiergeld. In unserem Basismodell müssen die Vertreter keinen Aufwand betreiben, um potentielle Kunden zu finden. Die Verkaufsgespräche könnten zum Beispiel in einem Geschäft, das regelmäßig von Kunden besucht wird, stattfinden oder in einem Call-Center, in dem die Vertreter genau überwacht werden können. Wir haben zudem eine erweiterte Version des Modells erstellt, bei dem die Vertreter aktiv nach Kunden suchen müssen; das Modell beinhaltet eine sogenannte Prospektionsphase. Da die Prospektionsbemühungen von den Unternehmen in der Regel schwer beobachtet werden können, muss es die Vertreter motivieren aktiv nach Kunden zu suchen. Dieses erweiterte Modell führt damit das ein, was wir „Moral Hazard“ nennen.

 

Die Vermeidung von Kollusion ist kostspielig

Wir zeigen, dass die Vertreter eine gewisse Preisgestaltungsmacht erhalten, aber der jeweilige Vertrag, den das Unternehmen dem Vertreter anbietet, ist in der Regel kollusionssicher, was eine begrenzte Preisgestaltungsbefugnis des Handelsvertreters und eine Provision voraussetzt. Generell ist die Vermeidung von Kollusion für das Unternehmen aus zwei Gründen kostspielig. Erstens führt die begrenzte Preisgestaltungsbefugnis der Vertreter gewöhnlich dazu, dass sie die Kunden verlieren, die nur bereit waren einen geringen Preis zu zahlen. Zweitens erhöht die Provision die Lohnzahlungen im Vergleich zu der hypothetischen Situation, in der Absprachen kein Thema sind. Interessanterweise zeigt unser erweitertes Modell, dass das letztgenannte Problem nicht das schwerwiegendste ist, wenn ein Moral Hazard vorliegt. Der Grund dafür ist, dass das Provisionsschema nun zwei Zwecken dient – es wirkt bei der Vermeidung von Kollusion mit und motiviert gleichzeitig die Vertreter Prospektionsbemühungen zu unternehmen. Da die Anreizvereinbarung durch ein Provisionsschema aus Sicht des Unternehmens effektiver wird, kann es nun auch dem Handelsvertreter mehr Preisgestaltungsbefugnisse einräumen. Dies führt zu dem überraschenden Ergebnis, dass je intensiver das Moral-Hazard-Problem ist, desto mehr Preisgestaltungsmacht gewährt das Unternehmen den Handelsvertretern, um ihn zu harter Arbeit zu bewegen und das Produkt an Kunden mit geringer Zahlungsbereitschaft zu verkaufen.

 

Wirtschaftsprüfung

Wir haben uns auch die Folgen der Wirtschaftsprüfung angesehen. Ein Unternehmen kann ein Prüfungssytem als Teil ihres Organisationsdesigns einführen. Es könnte zum Beispiel Kunden und Mitarbeiter über das Verhalten der Handelsvertreter befragen oder Mystery Shopper beschäftigen. Intuitiv bedeutet eine effektivere Prüfung, dass der Handelsvertreter im Falle von Kollusion leichter gefasst werden kann. Als solches wird das Unternehmen dem Vertreter mehr Preisgestaltungsbefugnisse übertragen, weil das Risiko von Kollusion verringert wird. Unsere Ergebnisse zeigen jedoch, dass im Falle eines schwerwiegenden Moral-Hazard-Problems die Ergebnisse der Prüfung nicht so nützlich sind und daher in diesen Fällen eine weniger wirksame Prüfungstechnologie ausreicht. Da Moral-Hazard-Probleme und ihr zunehmender Schweregrad eine größere Preissetzungsautorität für den Vertreter und eine höhere durchschnittliche Vergütung implizieren, sagt unser Modell darüber hinaus eine negative Beziehung zwischen diesen organisatorischen Variablen und der Wirksamkeit der Prüfungstechnologie des Unternehmens voraus.

 

Auswirkungen

Im Allgemeinen zeigen wir, dass ein Unternehmen ihren Vertretern mehr Preisgestaltungsbefugnisse bieten sollte, je stärker das Moral-Hazard-Problem ist. Dennoch wäre eine optimale Maßnahme zur Verhinderung von Kollusion in der Regel eine Einschränkung der Preisgestaltungsbefugnis der Vertreter, so dass sie nicht an Kunden verkaufen können, die nur bereit sind, einen niedrigen Preis zu zahlen. Darüber hinaus identifizieren wir auch Umstände, in denen es für das Unternehmen zu kostspielig ist, eine Lösung zu verhindern, z.B. wenn die Anreizvergabe zu weiteren Verwaltungskosten führt oder die Kunden bestimmte Arten von nicht-monetären Vorteilen anbieten können, um die Vertreter zu bestechen.

Der wichtigste Vorteil besteht darin, dass ein Unternehmen Absprachen zwischen seinen Handelsvertretern und Kunden grundsätzlich verhindern kann, indem es seine Organisationsstruktur im Hinblick auf die Delegierung von Preisfestsetzungsbefugnissen und Leistungslohn sorgfältig gestaltet. Eine zunehmend intransparente Situation, z.B. gleichzeitiges Auftreten von Moral Hazard und Kollusionsgefahr, kann zu einer widersprüchlichen Anpassung der Organisationsstruktur führen, bei der die Vertreter eher mehr als weniger Entscheidungsbefugnisse erhalten. Darüber hinaus muss man sich der Tatsache bewusst sein, dass die Verhinderung von Kollusion für das Unternehmen kostspielig ist und sogar übermäßig teuer werden kann. Im Rahmen des TRR 266 werden wir die Untersuchung der Wechselwirkung zwischen intransparentem individuellem Verhalten und optimaler Organisationsgestaltung fortsetzen.

 

Lesen Sie Publikation „Delegating Pricing Authority to Sales Agents: The Impact of Kickbacks?“ von Matthias Kräkel und Anja Schöttner im Management Science, online veröffentlicht in der Rubrik Articles in Advance: https://doi.org/10.1287/mnsc.2019.3293.

 

*In diesem Beitrag wird ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit auf die geschlechtsspezifische Schreibweise verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

 

Zitation dieses Blogs:

Schöttner, A. (2019, Oktober 28). Verhinderung von Kollusion, TRR 266 Accounting for Transparency Blog. https://www.accounting-for-transparency.de/de/verhinderung-von-kollusion/

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Wir wenden das Prinzipal-Agenten-Paradigma an, um ein neues Modell zu entwickeln, das uns ermöglicht die Auswirkung von potenziellen Schmiergeldern auf die Vertragsabschlüsse mit Handelsvertretern untersuchen können. Wir kombinieren dieses Modell mit einem Standard-Binäraufwand-Moral-Hazard-Modell mit beschränkter Haftung.

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