CO2-Angaben beeinflussen Essverhalten: Forschende veröffentlichen Daten eines Feldexperiments in einer der größten Mensen des Münchner Studentenwerks
Nachhaltiger essen – ein Neujahrsvorsatz für viele Menschen, die mit dem Veganuary ins neue Jahr gestartet sind. Doch das eigene Konsumverhalten zu ändern, ist nicht immer leicht. Helfen könnten dabei CO2-Label. Forschende des TRR 266 Accounting for Transparency von der HU Berlin, der LMU München und der Aalto Universität (Finnland) haben in einem Feldexperiment herausgefunden, dass die CO2-Kennzeichnung von Lebensmitteln Menschen dazu bewegt, nachhaltiger zu essen. Entscheidend dabei ist, wie die Informationen dargestellt werden. Wurden CO2-Angaben in Ampelfarben visualisiert oder als Umweltkosten präsentiert, war der Effekt am größten.
Nachhaltiger Lebensmittelkonsum ist nicht nur ein Neujahrsvorsatz der aktuell trendet, sondern auch Teil der politischen Agenda der Bundesregierung. Im Dezember hatte sich Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir für gesünderes und nachhaltigeres Essen in Kantinen und Mensen ausgesprochen. Ein erster Schritt hin zu einem nachhaltige¬ren Lebensmittelkonsum. Immerhin essen sechs Millionen Menschen in Deutschland mittags auswärts – in Kantinen und Mensen oder vergleichbaren Einrichtungen. Die neue Ernährungsstrategie soll Ende 2023 beschlossen werden.
Doch was ist notwendig, damit Verbraucher ihr Essverhalten tatsächlich ändern? Hier setzt die Studie des TRR 266 an. Die Erkenntnisse der Feldstudie können dabei helfen, CO2-Label zu entwickeln, die Verbraucher zu einem nachhaltigeren Konsum bewegen: “In unserer Studie zeigen wir, dass die Angabe von Emissionsdaten die Nachfrage nach CO2-intensiven Gerichten wie Fleisch und Fisch reduziert und damit den gesamten CO2-Fußabdruck des gewählten Essens verringert“, erläutert Prof. Dr. Joachim Gassen, Professor für Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung an der Humboldt-Universität zu Berlin. „Dieser Effekt ist besonders ausgeprägt, wenn die CO2-Angaben in Ampelfarben visualisiert oder als Umweltkosten in Euro je 100 g präsentiert werden“, so Gassen weiter.
Durchgeführt wurde das 10-tägige Feldexperiment in einer der größten Mensen des Studentenwerks München, der Mensa Leopoldstraße. Im Versuchszeitraum wurde über 8,000 Mensabesuchern über die Menüdisplays nicht nur die üblichen Informationen, wie die Preise der Gerichte oder ihre Hauptzutaten, angezeigt, sondern auch, wie hoch der CO2-Fußabdruck des jeweiligen Gerichts ist. Die Darstellung der CO2-Angaben wurde während des Experiments einmal pro Tag geändert, um zu testen, welche Darstellungsweisen das Verbraucherverhalten am stärksten beeinflusst.
So wurden manche Besucher darüber informiert, wie hoch die Umweltkosten in Euro sind, die ihr Mittagessen verursacht. Andere wiederum erfuhren über die Displays, wie viel ihres täglichen CO2-Budgets durch das gewählte Gericht verbraucht wird. Wiederum andere wurden über die durch das Gericht verursachten CO2-Emissionen in Gramm informiert. Die Angaben wurden zusätzlich durch eine Kodierung in Ampelfarben (grün, gelb, rot) ergänzt. Den größten Effekt hatte es letztlich, wenn die Besucher erfuhren, wie viel Euro an Umweltschäden ihr Mittagessen verursacht. Auf diese Weise wurden bis zu knapp zehn Prozent weniger CO2 durch die Mahlzeiten verursacht als ohne die Information über die CO2-Emissionen.
Für das TRR 266-Forscherteam zeigt die Studie konkrete Ansatzpunkte für Politik und Unternehmen, nachhaltigeres Verhalten zu unterstützen: „Unser Experiment macht deutlich, dass Informationen zum CO2-Fußabdruck zu einer Verhaltensänderung bei Konsumenten führen können. Diese Erkenntnis kann Politik und Wirtschaft dabei helfen, geeignete Maßnahmen für eine nachhaltigere Zukunft zu ergreifen“, erklärt Prof. Dr. Thorsten Sellhorn, Professor für Rechnungslegung und Wirtschaftsprüfung an der LMU München. „Unternehmen könnten sich beispielsweise freiwillig dazu entscheiden, CO2-Angaben für Lebensmittel oder andere Produkte und Dienstleistungen auszuweisen.“
Nicht nur für das Forscherteam auch für die Verantwortlichen der Mensa war das Experiment eine Herzensangelegenheit: „Nachhaltigkeit und Umweltbewusstsein sind für uns wichtige Werte, auf die wir beim Betrieb unserer Mensen großen Wert legen. Daher haben wir dieses Projekt sehr gerne unterstützt“, so Ralf Daumann, Abteilungsleiter Hochschulgastronomie beim Studentenwerk München.
Weitere Informationen zur Studie sowie Video- und Fotomaterial finden Sie auf unserer Website: „Können CO2-Angaben auf Lebensmitteln das Essverhalten beeinflussen?“
An dem Projekt waren Dr. Ann-Kristin Großkopf und Prof. Dr. Thorsten Sellhorn von der LMU München, Rico Chaskel, Simone Euler und Prof Dr. Joachim Gassen von der HU Berlin sowie Dr. Bianca Beyer, Assistant Professor von der Aalto Universität in Finnland beteiligt.