März 2020: Prof. Dr. Thorsten Sellhorn

Thorsten Sellhorn, Professor für Betriebswirtschaftslehre an der LMU München, forscht derzeit in zwei Projekten des TRR 266. Im Projekt A07 geht er zusammen mit Katharina Hombach der Frage nach, wie Entscheidungsträger mit der Unklarheit über optimale Berichterstattungspolitik umgehen. In B04 untersucht er mit Joachim Gassen und Jens Müller die Auswirkungen der Transparenzregulierung auf die Investitions- und Produktmärkte, sowie auf die Geschäftsentscheidungen von Unternehmen. Im Folgenden teilt er seine Ansichten, Erkenntnisse und Überzeugungen.

 

Accounting: Es geht immer um Transparenz

Im Accounting geht es eigentlich immer um Transparenz. Es geht darum, mithilfe von Zahlen ein wahrheitsgetreues Bild eines Unternehmens und seiner komplexen Geschäftsvorgänge zu zeichnen. Mein Verständnis vom Accounting wurde maßgeblich durch meinen Doktorvater Bernhard Pellens beeinflusst – ebenso wie meine Entscheidung, eine akademische Laufbahn einzuschlagen. Er weiß, wie man Accounting interessant gestaltet und wie man andere für diesen Beruf begeistert. Accounting ist keine trockene Formalität, sondern die Sprache der Wirtschaft. Ich bin sehr glücklich, dass ich diesen Weg eingeschlagen habe. Denn das Rechnungswesen eröffnet eine facettenreiche Welt, die von hochkomplexen Theorien bis zur angewandten empirischen Forschung reicht. Und es bietet immer wieder die Gelegenheit, sich mit neuen spannenden Themen zu beschäftigen – mit Corporate Social Responsibility oder digitalen Transformationsprozessen zum Beispiel.

das Rechnungswesen eröffnet eine facettenreiche Welt, die von hochkomplexen Theorien bis zur angewandten empirischen Forschung reicht.

Determinanten und Auswirkungen von Transparenz

Innerhalb des TRR 266 bin ich an zwei Projekten beteiligt. Während ich mich in einem Projekt auf die bestimmenden Faktoren von Transparenz konzentriere, untersuche ich im anderen Projekt ihre Auswirkungen. In A07 ist es unser Ziel, zu verstehen, wie Transparenz überhaupt entsteht. Daher untersuchen wir die Berichtsentscheidungen von Unternehmen. „Welche Informationen mache ich öffentlich? Wie präsentiere ich sie? Und welche Zielgruppe adressiere ich überhaupt?“ Unternehmen haben oft keine offensichtlichen Antworten auf diese Fragen. Konfrontiert mit regelmäßigen Veränderungen von Regulierung, Geschäftsumfeld und den Informationsbedürfnissen der Stakeholder treffen die Unternehmen ihre Entscheidungen zur Berichterstattung unter permanenter Unsicherheit. Wir wollen wissen, wie Unternehmen mit dieser Unsicherheit umgehen. Um dies herauszufinden, planen wir eine umfassende Umfrage unter Geschäftsführern und Stakeholdern.

 

In B04 möchten wir herausfinden, welche Auswirkungen Transparenz auf Unternehmen hat sowie auf Stakeholdergruppen, die nicht zu den Investoren zählen. Wir untersuchen, wie Offenlegungsanforderungen die Geschäftsentscheidungen von Unternehmen sowie die Produkt- und Arbeitsmärkte beeinflussen. Wir wissen bereits, dass bestimmte Transparenzanforderungen, die Regulierungsbehörden an Unternehmen stellen, zu Verhaltensänderungen führen – zum Beispiel in Bezug auf Investitionen, Produktdesign oder Anreizsysteme. Wir müssen allerdings noch viel darüber lernen, warum das so ist. Während einige dieser Verhaltensänderungen von den Regulierungsbehörden beabsichtigt sind, handelt es sich bei anderen um unbeabsichtigte Nebenwirkungen, die zuvor nicht berücksichtigt wurden. Wir verwenden Felddatenanalysen, um sehr genau zu untersuchen, wie diese Entscheidungen getroffen werden und welche kausalen Zusammenhänge dahinterstehen. Wir haben bereits erste Pretests mit Regulierungsbehörden durchgeführt und sind im Begriff mit der offiziellen Interviewreihe zu starten.

Wir wissen bereits, dass bestimmte Transparenzanforderungen, die Regulierungsbehörden an Unternehmen stellen, zu Verhaltensänderungen führen – zum Beispiel in Bezug auf Investitionen, Produktdesign oder Anreizsysteme.

Forschung: Konkrete Handlungsempfehlungen

Ein intensiver Austausch mit Unternehmen und politischen Entscheidungsträgern ist für unsere Forschung zentral. Für relevante und aussagekräftige Forschungsergebnisse benötigen wir Daten und Erkenntnisse aus der Praxis. Empirische Feldstudien sind daher ein zentraler Teil unserer Forschung. Gleichzeitig halte ich es für sehr wichtig, in einen direkten Austausch mit Akteuren aus dem Bereich der Regulierung und mit Unternehmen zu treten, um tiefergehende Diskussionen zu führen. Mit dem „Forum“ haben wir dafür eine großartige Plattform geschaffen. In unseren interaktiven Break-Out-Sessions werden wir die Möglichkeit haben, Schlüsselfragen ausführlich zu diskutieren.

 

Der Informationsfluss zwischen Praxis und Wissenschaft ist keine Einbahnstraße, sondern immer ein Geben und Nehmen. Nicht nur wir profitieren von diesem Austausch, sondern auch die Unternehmen und Aufsichtsbehörden. Es ist wichtig, dies gegenüber Nicht-Akademikern zu betonen. Nicht alle sind sich darüber bewusst, welchen Einfluss wissenschaftliche Erkenntnisse auf die Praxis haben können. Wir sind zuversichtlich, dass Manager, Wirtschaftsprüfer, Investoren und politische Entscheidungsträger aus unseren Erkenntnissen konkrete Handlungsempfehlungen ableiten können – für bessere Unternehmensentscheidungen und Transparenzvorschriften.

Wir sind zuversichtlich, dass Manager, Wirtschaftsprüfer, Investoren und politische Entscheidungsträger aus unseren Erkenntnissen konkrete Handlungsempfehlungen ableiten können – für bessere Unternehmensentscheidungen und Transparenzvorschriften.

TRR 266: Machen wir es möglich!

Der TRR 266 ist für mich eine große Chance, die Transparenz-Forschung gemeinsam mit faszinierenden Kollegen voranzutreiben. Viele aufregende neue Forschungsideen und Synergien entstehen durch diesen engen Austausch. Und natürlich erhalten wir als DFG-geförderte Forschungsgruppe mehr Aufmerksamkeit, als wir es als einzelne Forscher würden. Der TRR 266 ist ein Türöffner in Praxis und Politik. Er bietet uns die Möglichkeit, wirklich etwas zu bewegen. Umso mehr freue ich mich über die Entwicklung unseres Forschungsnetzwerkes. Man spürt es förmlich: Es wächst etwas zusammen. Es ist beeindruckend zu sehen, welche Dynamik der TRR 266 entwickelt. Das ist natürlich auch den Motivationskünstlern unseres Führungsteams zu verdanken – wie Caren Sureth-Sloane und Joachim Gassen mit ihrer positiven Can-do-Einstellung: Machen wir es möglich!

Der TRR 266 ist ein Türöffner in Praxis und Politik.

EAA: Nachhaltig vernetzen

Ich bin mir bewusst, wie entscheidend ein breites Netzwerk für erfolgreiche Forschung ist. Daher ist mir auch das Engagement für die European Accounting Association (EAA), in der ich seit 2019 Vorsitzender bin, so wichtig. In der EAA engagieren wir uns besonders für Akademiker, die an ihren Heimatsinstituten keinen Zugang zu einem umfangreichen Netzwerk oder den erforderlichen Ressourcen haben. Generell möchten wir Akademikerinnen und Akademiker weltweit in ihrer Arbeit unterstützen, indem wir eine Plattform für den Austausch sowie die Unterstützung für Nachwuchswissenschaftlerinnen und -wissenschaftler beim Aufbau ihrer akademischen Laufbahn bieten. Es ist mir daher wichtig, die Vereinigung personell und finanziell so nachhaltig wie möglich zu gestalten. Gleichzeitig liegt mir die ökologische Nachhaltigkeit am Herzen. Wir wollen unseren ökologischen Fußabdruck verringern. Das bedeutet: weniger Plastik und weniger Flüge. Folglich planen wir, mehr virtuelle Treffpunkte zu schaffen. Auf diese Weise müssen wir nicht immer Ozeane überqueren, wenn wir uns für einen fruchtbaren Austausch zusammenfinden wollen.

 

Zukunftsforschung: Nachhaltigkeit und Demokratie

Insgesamt ist die ökologische Nachhaltigkeit für mich ein wichtiges Thema geworden. Ein Thema, das sich auch hervorragend in unsere Forschung integrieren lässt. Immerhin haben die UN-Nachhaltigkeitsziele und das Pariser Abkommen bewirkt, dass die EU eine umfangreiche grüne Agenda auf den Weg gebracht hat – inklusive Transparenzregulierungen, die ein wichtiges politisches Instrument darstellen, das noch genauer untersucht werden muss. Ich würde mich freuen, wenn es uns gelingen würde, dieses Thema als zentralen Punkt in unsere TRR 266 Forschungsagenda aufzunehmen. Zwei weitere Themen sind ebenfalls von großer gesellschaftlicher Bedeutung: die digitale Transformation und die Rolle der Medien für die Demokratie. Wie wirkt sich die Digitalisierung auf die Transparenz der Unternehmen aus? Könnten Buchhalter und Rechnungsprüfer ihre Fähigkeiten und Ressourcen auch für die Bereitstellung von Zertifizierungsdiensten für die Medien einsetzen, um Fake News zu bekämpfen und die Demokratie zu stärken? Meiner Meinung nach sind das interessante Fragen, die gesellschaftlich viel bewirken können. Ich würde es sehr begrüßen, wenn der TRR 266 künftig einen besonderen Fokus auf diese Themen legt.

 

 

Die im Beitrag geäußerten Ansichten geben die Meinung des Forschenden wieder und entsprechen nicht grundsätzlich der Meinung des TRR 266. Als Wissenschaftsverbund ist der TRR 266 sowohl der Meinungsfreiheit als auch der politischen Neutralität verpflichtet.  

Forscher des Monats Februar

Beteiligte Institutionen

Die Hauptstandorte vom TRR 266 sind die Universität Paderborn (Sprecherhochschule), die HU Berlin und die Universität Mannheim. Alle drei Standorte sind seit vielen Jahren Zentren für Rechnungswesen- und Steuerforschung. Hinzu kommen Wissenschaftler der LMU München, der Frankfurt School of Finance and Management, der Goethe-Universität Frankfurt, der Universität zu Köln und der Leibniz Universität Hannover, die die gleiche Forschungsagenda verfolgen.

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