Grüner Wasserstoff: vom Hoffnungsträger zum sicheren Garanten für die Energiewende?

Grüner Wasserstoff gilt als wichtiger Hoffnungsträger für die Energiewende: Er kann regenerative Energien aus Solar-, Wind- und Wasserkraft speichern und helfen, energieintensive Prozesse klimaneutral zu gestalten. Doch damit aus dem Hoffnungsträger ein sicherer Garant wird, braucht es aktuell noch erhebliche Fortschritte bei den Power-to-Gas-Technologien (PtG), die erneuerbaren Strom in Wasserstoff umwandeln. Denn die sind derzeit noch zu kostenintensiv. Grüner Wasserstoff kann sich so gegenüber fossilen Energieträgern bislang nur schwer durchsetzen. Eine Studie von Gunther Glenk, Stefan Reichelstein und Philip Holler macht jedoch Hoffnung: Bis 2030 könnten die Lebenszykluskosten der Wasserstoffproduktion auf Werte zwischen 1,6 bis 1,9 Dollar pro Kilogramm sinken. Grüner Wasserstoff würde damit bereits Ende dieses Jahrzehntes weitestgehend wettbewerbsfähig sein.

Der russische Angriffskrieg auf die Ukraine hat ihn zurück auf die große politische Bühne gebracht:  den grünen Wasserstoff. Insbesondere in Deutschland gibt es neue Bestrebungen, unabhängiger von fossiler Energie und damit auch von russischem Erdgas zu werden. Grüner Wasserstoff ist dabei ein Wunschkandidat von Wirtschaftsminister Robert Habeck. Und soll stärker gefördert werden. Auch auf EU-Ebene und in den USA wurden umfangreiche Subventionsprogramme für die Entwicklung, Herstellung und den Einsatz von Wasserstoffanlagen beschlossen.

Schon lange gilt grüner Wasserstoff als vielversprechende Alternative für fossile Energieträge – und damit als wichtiger Hoffnungsträger für die Energiewende. Denn er wird durch Wasserelektrolyse mit erneuerbarem Strom hergestellt – und ist daher CO2-neutral. Der kohlenstofffreie Wasserstoff könnte somit die unstete Stromversorgung durch Wind- und Solarenergieanlagen ergänzen – und die Treibhausgasemissionen vor allem in energieintensiven Branchen, die sich nur schwer dekarbonisieren lassen, stark reduzieren. Zum Beispiel im Schwerlastverkehr oder in Industrien, die so viel Hitze benötigen, dass elektrische Alternativen zu teuer wären.

Grüner Hoffnungsträger bis 2030 weitestgehend wettbewerbsfähig

Sein großer Durchbruch lässt aktuell jedoch immer noch auf sich warten. Das Problem: die Herstellung von grünem Wasserstoff ist derzeit noch zu teuer. Mit seinen 3 bis 5 Dollar pro Kilogramm kann er noch nicht mit dem konventionell hergestellten Wasserstoff aus Erdgas und Kohle mithalten. Für einen Siegeszug des grünen Wasserstoffes über fossile Energieträger müsste seine Herstellung also noch wesentlich effizienter und kostengünstiger werden.

Die neue Studie zeigt, dass dieses Ziel schon bis Ende dieses Jahrzehntes erreicht werden kann. Grüner Wasserstoff befindet sich auf einem sehr guten Weg in den nächsten Jahren entscheidend zur Energiewende beizutragen. Die drei maßgeblichen Technologien, die derzeit verwendet werden, um grünen Wasserstoff zu produzieren, werden in den kommenden sechs Jahren erheblich billiger und effizienter werden. Aufgrund von Lerneffekten und Effizienzsteigerungen bei der Produktion – etwa durch Standardisierung, Automatisierung oder technologische Verbesserungen, die beispielsweise dabei helfen, Produktionsabfälle zu reduzieren.

Die Studie hat dafür die Lernkurven dieser drei Technologien (Protonenaustauschmembran-, Festoxidzellen- und alkalische Elektrolyse) im Hinblick auf ihre Fortschritte bei Systempreisen und Energieeffizienz in den letzten zwanzig Jahren berechnet. Lernkurven haben sich bereits bei Photovoltaik-Modulen, Windkraftanlagen oder Lithium-Ionen-Batterien als zuverlässiges Maß für den technologischen Fortschritt erwiesen. Die Studie zeigt: Mit jeder Verdoppelung der kumulierten installierten Produktionskapazität sinken die Systempreise der Wasserelektrolyse um 14 bis 17 Prozent, während die Energieeffizienz um etwa zwei Prozent steigt. Auf der Grundlage dieser Schätzungen haben die Autoren der Studie berechnet, wie sich die Lebenszykluskosten der elektrolytischen Wasserstofferzeugung bis 2030 entwickeln.

Grüner Wasserstoff: Lebenszykluskosten sinken um bis zu 70 Prozent

Bis 2030 werden die Lebenszykluskosten für grünen Wasserstoff um bis zu 68 Prozent auf 1,6 bis 1,9 Dollar pro Kilogramm sinken. Damit nähern sie sich mit großen Schritten dem vom US-Energieministerium gesetzten Ziel von 1 Dollar pro Kilogramm an. Dieser Wert wird häufig als Schwelle gesehen, ab der grüner Wasserstoff gegenüber fossilen Energieträgern wettbewerbsfähig wird. Ein wichtiges Zeichen für Investoren. Denn bislang standen sie den ehrgeizigen Zielen für nachhaltige Energie, die von Regierungen und internationalen Gremien ausgegeben wurden, oft skeptisch gegenüber. Die Studie zeigt jedoch, dass in diesem speziellen Fall kein Grund zur Skepsis besteht. Das könnte das Vertrauen in grünen Wasserstoff zusätzlich stärken, Investitionen fördern – und damit die positive Entwicklung der Lebenszykluskosten weiter vorantreiben.

Subventionsprogramme beschleunigen Wettbewerbsfähigkeit

Auch durch die neuen Subventionsprogramme von EU- und US-Regierung könnte sich die Produktionskosten bis 2030 noch deutlich stärker der 1 Dollar-Grenze nähern. Denn die Daten, die in der Studie zur Berechnung verwendet werden, wurden zum großen Teil noch vor Einführung der aktuellen Förderprogramme erhoben. Politische Anreize wiederum beschleunigen die Wettbewerbsfähigkeit. In der EU werden für den Ausbau von Wasserstofftechnologien und Infrastruktur zum Beispiel mit dem Projekt ‚Hy2Infra‘ rund 9,6  Milliarden Euro bereitgestellt. Das Subventionsprogramm in den USA wiederum sieht unter anderem Steuergutschriften von bis zu 3 Dollar pro Kilogramm sauberen Wasserstoffs vor. Das macht den Einsatz von Power-to-Gas-Systemen für Unternehmen finanziell attraktiver, wodurch mehr und größer produziert werden könnte. Dies wiederum könnte auch die Systempreise weiter sinken lassen und somit für einen größeren Einsatz von Wasserstofftechnologien sorgen. Ein positiver Kreislauf, der den grünen Hoffnungsträger weiter nach vorne bringt.

Strompreise werden Lebenszykluskosten von grünem Wasserstoff zunehmend bestimmen

Die Wasserstoffproduktion wird vor allem dort wettbewerbsfähig werden, wo es große Ressourcen für die Erzeugung erneuerbarer Energie gibt. Das heißt, an windigen, sonnigen oder hydroelektrischen Standorten, die sich für die Nutzung von Wasserkraft gut eignen. Entscheidend ist auch die Nähe zu Wasserstoffkunden. Denn die Transportkosten – mit Lastwagen und Schiffen oder über Pipelines – sind relativ teuer und damit ein entscheidender Faktor bei der Preisbildung.

Durch die erheblichen Kostensenkungen bei der Wasserstoffelektrolyse werden andere Faktoren bei der Preisbildung generell immer wichtiger. So werden vor allem die Strompreise die Lebenszykluskosten der Wasserstofferzeugung zunehmend bestimmen. Niedrige Kosten für die Produktion von grünem Wasserstoff hängen damit letztlich vor allem von der Verfügbarkeit von preiswertem und sauberem Strom ab. Die politischen Entscheidungsträger sollten somit neben dem Ausbau der Wasserstoffproduktion und -infrastruktur auch den Ausbau der Erneuerbaren weiterhin im Blick haben. Und vor allem sollten sie die inhärenten Synergien zwischen der Stromerzeugung aus erneuerbaren Energien und der Elektrolyse von Wasserstoff nutzen.

 

 

Zitation des Blogs:

Glenk, G., Holler, P., Reichelstein, S. (2024, July). Grüner Wasserstoff: vom Hoffnungsträger zum sicheren Garanten für die Energiewende?, TRR 266 Accounting for Transparency Blog. https://www.accounting-for-transparency.de/gruener-wasserstoff-vom-hoffnungstraeger-zum-sicheren-garanten-fuer-die-energiewende/

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