Juni 2020: Prof. Dr. Martin Jacob
Martin Jacob, adidas-Professor of Finance, Accounting and Taxation an der WHU – Otto Beisheim School of Management, Vallendar, ist Teilprojektleiter im Projekt B01 „Investment Effects of Taxation“. Zusammen mit Caren Sureth-Sloane untersucht er, wie sich Steuern und steuerliche Transparenz auf das Investitionsverhalten von Unternehmen auswirken. Die Erkenntnisse aus dem Projekt können in der „Corona-Krise“ wichtige Impulse liefern.
Taxation: Aufklärungsarbeit leisten
Was mir am Fachbereich Taxation besonders gefällt? Gerade in der Forschung ist man sehr frei und ständig gefordert. Stillstand gibt es praktisch nicht, man hat immer die Möglichkeit, etwas Neues zu entdecken. Außerdem habe ich das Gefühl, etwas Relevantes zu tun, Aufklärungsarbeit zu leisten. Steuern muss jeder zahlen und jeder glaubt auch etwas davon zu verstehen. Um die Materie richtig zu durchdringen, muss man sich allerdings sehr intensiv damit auseinandersetzen. Den meisten fehlt diese notwendige Basis, um steuerpolitische Entscheidungen kritisch zu hinterfragen. Mit unserer Forschung können wir ein wenig Licht ins Dunkel bringen und den Leuten erklären, wie bestimmte steuerpolitische Entscheidungen wirken und ob und warum sie notwendig sind.
Mit unserer Forschung können wir […] den Leuten erklären, wie bestimmte steuerpolitische Entscheidungen wirken und ob und warum sie notwendig sind.
Lehre: Aha-Momente kreieren
Während einer Vorlesung zu beobachten, wie Studenten zu verstehen beginnen „Ah, so ist das. Darum machen wir das also“, ist ein tolles Gefühl. Es beflügelt mich diese besonderen Aha-Momente zu kreieren. Eine enge Verzahnung von Lehre und Forschung ist mir dabei sehr wichtig. Die Erkenntnisse aus meiner Forschung lasse ich in meine Vorlesungen einfließen und gebe sie so auch an meine Studenten weiter. Die Kunst besteht darin, komplexe Sachverhalte möglichst einfach zu erklären und auf das Wesentliche herunterzubrechen. Allerdings gilt es zu bedenken: Nicht immer gibt es auch einfache und eindeutige Antworten. Daher ist es wichtig, die Dinge möglichst differenziert zu betrachten – und sie auch in der Vermittlung niemals zu stark zu vereinfachen.
TRR 266: intensiver Austausch, neue Impulse
Der TRR 266 steht für mich vor allem für einen intensiven Austausch mit anderen Forschenden und für die Möglichkeit, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern – über gemeinsame Projekte und spezielle Formate, wie die Staff Rotation. An der WHU zum Beispiel hat uns Rey – eine Doktorandin vom TRR 266-Standort Paderborn – für drei Monate besucht und bei der Forschung unterstützt. Für sie und für uns eine super Erfahrung, die uns allen tolle neue Impulse gegeben hat.
Der TRR 266 steht für mich vor allem für einen intensiven Austausch mit anderen Forschenden und für die Möglichkeit, den wissenschaftlichen Nachwuchs zu fördern.
„Investment Effects of Taxation“
Im TRR 266 arbeite ich im Projekt B01 „Investment Effects of Taxation“. In dem Projekt untersuchen wir, wie sich Steuern und steuerliche Transparenz auf das Investitionsverhalten von Unternehmen auswirken. Was passiert, wenn sich Steuersätze ändern? Wie reagieren Unternehmen darauf? Investieren sie mehr oder weniger? Und welche Rolle spielen die Eigenschaften eines Unternehmens dabei?
Derzeit betrachten wir, welche Auswirkungen eine Änderung der Einkommensteuer auf Unternehmen hat. Wir haben mehrere 100.000 Unternehmen in Europa untersucht – und dabei die unterschiedlichen europäischen Einkommensteuersysteme der letzten 15 Jahre herangezogen. Unsere Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Einkommenshöhe eine zentrale Rolle spielt. Wenn ich die Einkommensbesteuerung von Mitarbeitern mit niedrigem Einkommen anpasse, hat das einen relativ großen Effekt auf Unternehmen – bei Mitarbeitern mit hohem Einkommen fällt dieser Effekt geringer aus. Ein erstes Working Paper zum Thema werden wir spätestens im August veröffentlichen.
Im Endeffekt gilt es das richtige Maß zwischen Investitionsanreizen und Steuereinnahmen zu finden.
COVID-19: Wie finden wir den Weg aus der Krise?
Ich würde mir sehr wünschen, dass die Forschung, die wir machen, insbesondere auch von Regulierern wahrgenommen wird. Der TRR 266 kann sicher nicht die allumfassende Lösung bieten. Aber wir können Schritt für Schritt immer mehr Informationen und Erkenntnisse beisteuern, die sich allmählich zu einem Gesamtbild zusammenfügen. Erkenntnisse, die auch gerade jetzt in Zeiten von Corona helfen können.
Wir befinden uns derzeit in einer Wirtschaftskrise, da muss man sich die Frage stellen: Wie schaffen wir es, über steuerliche Anreize wieder den Weg aus der Krise herauszufinden? Gleichzeitig muss sichergestellt werden, dass genügend Steuereinnahmen generiert werden. Im Endeffekt gilt es das richtige Maß zwischen Investitionsanreizen und Steuereinnahmen zu finden. Insbesondere unsere Forschung in B01 zu den Auswirkungen von Besteuerung auf Investitionen kann dafür wichtige Erkenntnisse liefern.
Corona-Soforthilfe: richtig und wichtig
Zusammen mit den anderen Steuerwissenschaftlern des TRR 266 habe wir der Politik ein Statement vorgelegt, in dem wir einen sofortigen Verlustrücktrag empfehlen. Eine Maßnahme die von Bund und Ländern letztlich auch umgesetzt wurde – wenn auch in ein wenig abgespeckter Form. Für mich ein wichtiges Puzzleteil in der Corona-Soforthilfe. Denn sie sichert die Liquidität im Unternehmen. Unternehmen können so neben den bereits für 2020 geleisteten Steuervorauszahlungen auch eine Erstattung von für 2019 geleistete Beträge beim Finanzamt beantragen.
Auf diese Weise werden allerdings nicht nur gesunde Unternehmen unterstützt, sondern auch Unternehmen, die bereits vor Corona deutlich zu kämpfen hatten. Ich halte es jedoch für schwierig, hier eine klare und gerechte Trennung zu vollziehen – und auch für juristisch problematisch. Das Maßnahmenpaket, das jetzt beschlossen wurde, empfinde ich daher in Summe als richtig. Insbesondere, wenn man bedenkt, wie schnell eine Lösung gefunden werden musste.
Gleichzeitig müssen wir den Blick auch nach vorne richten und uns die Frage stellen, ob wir mit einem Steuersatz von rund 30 Prozent noch wettbewerbsfähig sind.
Nach vorne schauen: Goodbye, 30 Prozent?
Maßnahmen zur Soforthilfe sind das eine. Gleichzeitig müssen wir den Blick auch nach vorne richten und uns die Frage stellen, ob wir mit einem Steuersatz von rund 30 Prozent noch wettbewerbsfähig sind. Wir gehören zur den Hochsteuerländern weltweit. Nur Länder wie Brasilien oder Portugal liegen noch vor uns. Auf lange Sicht werden wir so weniger Investitionen aus dem Ausland erhalten, gleichzeitig werden sich auch deutsche Unternehmen überlegen, ob sie nicht lieber ins Ausland abwandern. Gerade jetzt sind wir in einer entscheidenden Phase. Denn durch Corona werden immer mehr Unternehmen ihre Strategie überdenken: Macht es immer noch Sinn, ausschließlich in China zu produzieren? Sollten wir uns von einem einzigen Land abhängig machen? Wie radikal die Lieferketten in der Krise durchbrochen wurden, haben wir gesehen. Das ist eine Chance. Daher wäre es wünschenswert, wenn die Steuersätze in Deutschland so attraktiv wären, dass Deutschland als Standort für diese Unternehmen in Frage kommt.
Die im Beitrag geäußerten Ansichten geben die Meinung des Forschenden wieder und entsprechen nicht grundsätzlich der Meinung des TRR 266. Als Wissenschaftsverbund ist der TRR 266 sowohl der Meinungsfreiheit als auch der politischen Neutralität verpflichtet.