Wer von größerer Transparenz bei der Harmonisierung von Verrechnungspreisen profitiert – und wer nicht

In einer zunehmend vernetzten globalen Wirtschaft ist die Frage der Verrechnungspreisgestaltung zu einem kritischen Anliegen für multinationale Unternehmen (MNUs), Steuerbehörden und politische Entscheidungsträger geworden. Eine aktuelle Forschungsarbeit des TRR 266 „Accounting for Transparency“ beleuchtet die komplexe Dynamik der Harmonisierung von Verrechnungspreisen und stellt dabei einige gängige Annahmen darüber, wie etwa, wer von einer Harmonisierung profitiert, in Frage.
Diese Studie untersucht, wie sich die Harmonisierung der steuerlichen Verrechnungspreise durch die Erhöhung der Konsistenz von Verrechnungspreisstandards und die Verbesserung der globalen Steuertransparenz für die Steuerbehörden auf Unternehmen und Steuereinnahmen auswirkt. Obwohl die Harmonisierung der Verrechnungspreise als vielversprechendes Instrument zur Bekämpfung unerwünschter Steuervermeidung gilt, sind ihre Auswirkungen und Nebenwirkungen weitgehend unerforscht. Diese Studie verdeutlicht, dass – trotz der ehrgeizigen Pläne des Inclusive Framework on BEPS (Base Erosion and Profit Shifting) der OECD/G20, ein weltweit einheitliches Steuersystem zur wirksamen Bekämpfung von Steuervermeidung und zur Verhinderung von Doppelbesteuerung zu schaffen – diese Inkonsistenzen kurzfristig möglicherweise nicht verschwinden werden. Auch sind viele Auswirkungen der Harmonisierung der Verrechnungspreise noch unklar. Wer profitiert von der Harmonisierung? Wie wirkt sie sich auf Unternehmen aus? Warum sind sich nicht alle Länder über einheitliche Regelungen und eine verbesserte globale Steuertransparenz einig (z. B. durch den Austausch von Steuerinformationen)?
Was sind Verrechnungspreise und deren Herausforderungen?
Für grenzüberschreitende konzerninterne Transaktionen gibt es keinen Marktpreis. Ein Preis ist jedoch erforderlich, um die Steuerlast des Unternehmens in den jeweiligen Ländern zu berechnen. Steuerliche Verrechnungspreise dienen als Ersatz für die fehlenden Marktpreise.
Der Fremdvergleichsgrundsatz besagt, dass steuerliche Verrechnungspreise den Preisen entsprechen sollten, auf die sich unabhängige Parteien (die „zu marktüblichen Bedingungen“ handeln) einigen würden. Obwohl die meisten Länder den Fremdvergleichsgrundsatz anwenden, kann es zu abweichenden Verrechnungspreisen in den beteiligten Ländern kommen. Länder nutzen etwa unterschiedliche Methoden zur Berechnung von Fremdvergleichspreisen, was zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Darüber hinaus kann sich innerhalb einer Methode auch die konkrete Berechnung des Verrechnungspreises von Land zu Land unterscheiden. Folglich kommt es in verschiedenen Ländern immer wieder zu unterschiedlichen steuerlichen Verrechnungspreisen für dieselbe Transaktion.
Eine im Rahmen der Studie durchgeführte Online-Umfrage zeigt, dass multinationale Unternehmen, die dieser Inkonsistenz zwischen den Ländern ausgesetzt sind, tatsächlich gelegentlich unterschiedliche Verrechnungspreise berichten. Infolgedessen kann es zu Doppelbesteuerung kommen. Diese Inkonsistenzen könnten Unternehmen dem Vorwurf einzelner Steuerbehörden aussetzen, (unbeabsichtigt) Steuervermeidung zu betreiben, oder aber auch Möglichkeiten für Steuervermeidung eröffnen.
Im Gegensatz zu den Verrechnungspreisinkonsistenzen wird von einer verbesserten globalen Steuertransparenz erwartet, dass sie den Steuerbehörden dabei hilft, übermäßige Steuervermeidung bei Verrechnungspreisen zu bekämpfen.
Folglich – und insbesondere zur Eindämmung der multinationalen Steuervermeidung – haben zwischenstaatliche Foren wie das Inclusive Framework on BEPS der OECD/G20 in letzter Zeit einheitliche Verrechnungspreisstandards gefördert. Als Schritt in diese Richtung hat die OECD in ihrer BEPS-Maßnahme 13 mit dem Titel „Verrechnungspreisdokumentation und länderbezogene Berichterstattung“ eine harmonisierte Verrechnungspreisdokumentation vorgeschlagen. Transparenz bei den Verrechnungspreisen ist ein zentrales Anliegen von OECD-Aktionspunkt 13, das durch eine verbesserte Verrechnungspreisdokumentation und einen verbesserten Informationsaustausch erreicht werden kann.
Es scheint intuitiv, dass einheitliche Verrechnungspreisregeln und eine hohe globale Steuertransparenz für alle von Vorteil sein sollten, da sie Doppelbesteuerung und doppelte Nichtbesteuerung beseitigen. Allerdings könnte sich der veränderte institutionelle Rahmen auch auf die Produktionsentscheidungen eines multinationalen Unternehmens und die Prüfungsentscheidungen der beteiligten Steuerbehörden auswirken. Daher sind die Gesamtauswirkungen auf die Steuervermeidung, das Steueraufkommen der Länder und den Unternehmensgewinn unklar.
Die Folgen der Harmonisierung
Die Studie von Markus Diller (Universität Passau), Johannes Lorenz (Universität Oldenburg), Georg Schneider (Universität Graz) und Caren Sureth Sloane (Universität Paderborn) wendet sich einer grundlegenden Frage zu: Welche Auswirkungen haben die Vereinheitlichung von Verrechnungspreisstandards und die Verbesserung der globalen Steuertransparenz auf MNUs, auf die Steuereinnahmen der beteiligten Staaten und die globale Wohlfahrt? Diese Frage ist nicht nur relevant, sondern angesichts der jüngsten Initiativen des OECD/G20 Inclusive Framework on Base Erosion and Profit Shifting (BEPS) zur Förderung einheitlicher Verrechnungspreisstandards und zur Verbesserung der Transparenz auch hochaktuell.
Ein spieltheoretischer Ansatz
Um diese Frage zu untersuchen, entwickelten die Forschenden ein spieltheoretisches Modell mit einem MNU und zwei Steuerbehörden. Das Modell geht davon aus, dass die Produktion in einem Niedrigsteuerland stattfindet, während der Verkauf in einem Hochsteuerland erfolgt. Dieses einfache Setting veranschaulicht die Wirkungszusammenhänge von Transparenz und Harmonisierung auch für MNU, bei denen nicht das gesamte Geschäft, aber doch weite Teile des Geschäfts durch diese Merkmale gekennzeichnet sind. Durch die Analyse des spieltheoretischen Gleichgewichts zwischen dem MNU und den Steuerbehörden kann im Rahmen der Studie gezeigt werden, wie sich besserer Informationsaustausche und höhere Konsistenz der Verrechnungspreisstandards auf Produktionsentscheidungen, Steuervermeidung, Steuereinnahmen und Wohlfahrt auswirken.
Überraschende Einsichten
Die Forschung liefert mehrere unerwartete und bedeutende Erkenntnisse:
- Anhaltende Steuervermeidung: Es zeigt sich, dass ein gewisses Maß an Steuervermeidung in beiden Ländern, unabhängig von Harmonisierungsbemühungen, bestehen bleibt.
- Auswirkungen auf das Produktionsvolumen: Die Produktionsentscheidungen des MNU werden durch globale Steuertransparenz, Inkonsistenz der Verrechnungspreisstandards und unternehmensindividuelle Allokation von Funktionen, Wirtschaftsgütern und Risiken beeinflusst.
- Präferenzen der Hochsteuerländer: Überraschenderweise können die Steuereinnahmen im Hochsteuerland bei einem mittleren Niveau globaler Steuertransparenz maximiert werden und gerade nicht bei vollständiger Transparenz.
- Divergierende Länderinteressen: Die Studie identifiziert somit Szenarien, in denen Hochsteuerländer lediglich mittlere Transparenzniveaus anstreben, während Niedrigsteuerländer von vollständiger Transparenz besonders profitieren. Dieses Ergebnis ist überraschend, da man normalerweise davon ausgeht, dass Länder mit hohen Steuern am meisten unter der durch Verrechnungspreise verursachten Steuervermeidung leiden und damit am meisten von mehr Transparenz profitieren würden.
- Optimierung der globalen Wohlfahrt: In den meisten Szenarien maximiert eine hohe Konsistenz der Verrechnungspreisstandards in Kombination mit hoher globaler Steuertransparenz den globalen Wohlstand.
Erkenntnisbeitrag und Implikationen
Durch die Entwicklung eines umfassenden Modells, das die strategischen Interaktionen zwischen MNU und Steuerbehörden berücksichtigt, liefert die Studie neuartige Einblicke in die komplexe Dynamik der Harmonisierung von Verrechnungspreisen.
Die Erkenntnisse haben wichtige Implikationen für politische Entscheidungsträger und Unternehmen:
- Politikgestaltung: Politische Entscheidungsträger sollten die potenziellen unbeabsichtigten Folgen von Harmonisierungsbemühungen berücksichtigen, insbesondere die divergierenden Interessen von Hoch- und Niedrigsteuerländern.
- Unternehmensstrategie: MNUs müssen antizipieren, wie sich Änderungen in der Transparenz und der Konsistenz der Standards auf ihre optimalen Produktions- und Berichtsentscheidungen auswirken könnten.
- Globale Koordination: Die Studie unterstreicht die Herausforderungen einer einheitlichen Anwendung von Verrechnungspreisvorschriften.
Fazit: Eine differenzierte Sicht auf die Harmonisierung
Diese Ergebnisse liefern neue Erkenntnisse darüber, warum insbesondere Hochsteuer-Importländer Anreize haben könnten, auf eine Weise zu handeln, die nicht das globale Gemeinwohl maximiert. Aus diesem und anderen Gründen werden mangelnde globale Steuertransparenz und uneinheitliche Verrechnungspreisstandards wahrscheinlich auch weiterhin ein Phänomen im internationalen Steuerwesen bleiben. Auch ist im Rahmen des geplanten neuen globalen Steuersystems unklar, ob die vorgesehenen Mechanismen für Prüfungen, Streitvermeidung und Streitbeilegung tatsächlich zu einer einheitlichen Anwendung der Vorschriften in allen Ländern führen werden.
Die Ergebnisse verdeutlichen somit, dass Inkonsistenzen in der Verrechnungspreispraxis kurzfristig, trotz ambitionierter internationaler Initiativen, bestehen bleiben könnten.
Darüber hinaus unterstreicht die Studie die Komplexität der Abstimmung der Interessen verschiedener Länder und Stakeholder in der globalen Steuerlandschaft. Während politische Entscheidungsträger weiterhin mit diesen Herausforderungen ringen, wird weitere Forschung entscheidend sein, um die vollen Auswirkungen der Harmonisierung von Verrechnungspreisen zu verstehen und effektive, gerechte Lösungen für die globale Wirtschaft zu entwickeln.
Diese Forschung erweitert nicht nur unser Verständnis der Dynamik von Verrechnungspreisen, sondern liefert auch wertvolle Erkenntnisse für die Gestaltung zukünftiger internationaler Steuerreformen und Unternehmensstrategien in einer zunehmend vernetzten Welt.
Um diesen Blog zu zitieren: Diller, M., Lorenz, J., Schneider, G., Sureth-Sloane, C. (März 2025). Wer von größerer Transparenz bei der Harmonisierung von Verrechnungspreisen profitiert – und wer nicht, TRR 255 Accounting for Transparency Blog. https://www.accounting-for-transparency.de/harmonization-of-transfer-prices/
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