GBP-Monitor: Deutsche Unternehmen skeptisch gegenüber Bürokratieentlastungsgesetz – Mehrheit erwartet keine spürbare Entlastung

Mit zahlreichen gesetzlichen Neuerungen will die Bundesregierung die deutsche Wirtschaft entlasten. Laut den aktuellen Ergebnissen des German Business Panels (GBP) zeigen sich Unternehmen in Deutschland jedoch verhalten, was die Auswirkungen des Vierten Bürokratieentlastungsgesetzes (BEG IV) betrifft. Obwohl das Gesetz darauf abzielt, die Bürokratiekosten um fast eine Milliarde Euro pro Jahr zu senken, rechnen nur 10 Prozent der befragten Unternehmen mit einer deutlichen Reduzierung ihres bürokratischen Aufwands. Besonders gering sind die Erwartungen im Verarbeitenden Gewerbe, im Gesundheitswesen, im Baugewerbe und im Handel.

Am 26. September 2024 hat der Bundestag das Bürokratieentlastungsgesetz (BEG IV) verabschiedet. Das Gesetz soll die wirtschaftlichen Standortfaktoren in Deutschland verbessern und Investitionen fördern. Zu den zentralen Maßnahmen gehören die Verkürzung der Aufbewahrungsfristen für Buchungsbelege von zehn auf acht Jahre, die Digitalisierung von Steuerbescheiden sowie der Abbau von Melde- und Informationspflichten. Zusätzlich sollen Schriftformerfordernisse herabgestuft werden, um bei digitalisierten Prozessen auf die Unterschrift auf Papier verzichten zu können. Aktuelle Daten des GBP zeigen jedoch, dass 69 Prozent der befragten Unternehmen davon ausgehen, dass das Gesetzesvorhaben nur geringe oder sehr geringe Auswirkungen auf ihre bürokratische Belastung haben wird. Nur 10 Prozent erwarten eine spürbare Entlastung.

Die Gründe hierfür werden in den Befragungsergebnissen deutlich: Ein Großteil der Unternehmen sieht die Hauptursache für ihre Bürokratiebelastung weniger in den Gesetzen selbst als vielmehr in deren Umsetzung durch staatliche Behörden. Über 57 Prozent der Befragten sagen, dass Bürokratie gleichermaßen durch gesetzliche Vorgaben und durch die Interaktion mit Behörden entsteht. 21,1 Prozent der Befragten geben sogar an, dass die Bürokratie vorrangig durch die Interaktion mit Behörden entsteht und weniger durch die Regelungen selbst. Besonders beklagt werden mehrfache Dateneingaben, die mangelnde Vernetzung von Behörden, der Digitalisierungsrückstand sowie lange Verwaltungsverfahren.

„Ein deutlicher Abbau staatlicher Bürokratie hat das Potenzial die deutsche Wirtschaft wieder anzukurbeln und Unternehmensgewinne zu steigern,“ erklärt Prof. Dr. Philipp Dörrenberg, Inhaber des Lehrstuhls für ABWL und Betriebswirtschaftliche Steuerlehre an der Universität Mannheim und wissenschaftlicher Projektleiter des GBP. Laut den GBP-Ergebnissen schätzen Unternehmen, dass ihnen durch unnötige bürokratische Anforderungen im Durchschnitt rund 16,9 Prozent ihres potenziellen Gewinns entgehen. Bei Unternehmen, die den Umgang mit Behörden als Hauptursache für Bürokratie ansehen, liegt dieser Verlust sogar bei 19,6 Prozent.

Eine weitere wesentliche bürokratische Belastung sehen die Unternehmen im Bereich der Steuern und Sozialabgaben. 50,1 Prozent der Unternehmen nennen Steuern sogar als Hauptursache und 68,1 Prozent zählen Verpflichtungen im Zusammenhang mit Sozialversicherungen zu den drei wichtigsten Bereichen, die Bürokratie verursachen. Innerhalb der steuerlichen Verpflichtungen gehören die Gewerbesteuer (62,2 Prozent) und die Umsatzsteuer (60 Prozent) zu den Bürokratietreibern.

Auch die kürzliche Ausweitung von Berichtspflichten im Rahmen der Nachhaltigkeitsberichterstattung (CSRD) und des Lieferkettensorgfaltspflichtengesetzes (LkSG) hat den administrativen Aufwand für Unternehmen in Deutschland verstärkt. Trotz gewisser Größengrenzen treffen diese Dokumentationspflichten häufig auch kleinere Betriebe, etwa wenn sie Daten in der Lieferkette weitergeben müssen. Die Daten des GBP bestätigen dies: 30 Prozent der Unternehmen mit mehr als 1.000 Mitarbeitern, die direkt dem LkSG unterliegen, sehen darin eine bürokratische Hürde. Für Unternehmen mit weniger als 1.000 Mitarbeitern sind es sogar 35 Prozent.

Die Folgen der bürokratischen Belastungen zeigen sich in den Investitionsentscheidungen deutscher Unternehmen: 56,4 Prozent der Unternehmen gaben an, in den letzten zwei Jahren geplante Investitionen aus diesem Grund gestrichen zu haben. Bei Unternehmen, die Bürokratie durch Lieferkettenvorschriften beklagen, sind es sogar 65 Prozent. „Bürokratische Hürden durch Dokumentationspflichten entlang der Lieferkette sind häufig ein Investitionshemmnis für deutsche Unternehmen und können sogar zu volkswirtschaftlich nachteiligen Effekten führen“, so Dörrenberg. 23,6 Prozent der betroffenen Unternehmen haben deshalb Projekte ins Ausland verlagert. Bei den Unternehmen, die in diesem Bereich keine Belastungen spüren, sind es nur 10,4 Prozent.

 

Bürokratische Hürden wirken sich letztlich nicht nur auf Investitionen, sondern auch auf Personalentscheidungen aus. Die GBP-Daten zeigen, dass im Bereich Compliance mehr Personal eingestellt wurde (61,5 Prozent), weniger jedoch im wachstumsfördernden Kerngeschäft. Dort haben rund 46 Prozent der Unternehmen aufgrund des bürokratischen Aufwands auf die Einstellung benötigter Fachkräfte verzichtet. Dieser Effekt ist insbesondere bei größeren Unternehmen mit mehr als 50 Mitarbeitern noch ausgeprägter.

 

„Trotz gesetzgeberischer Bemühungen stellt der bürokratische Aufwand für viele Unternehmen in Deutschland nach wie vor eine erhebliche Hürde dar. Vor allem der Umgang mit Behörden stellt die Unternehmen vor große Herausforderungen. Ohne eine umfassende Reform dieser Prozesse ist der Erfolg des Bürokratieabbaus aus Sicht vieler Unternehmen begrenzt“, resümiert Dörrenberg.

 

 

Den „GBP-Monitor: Unternehmenstrends im Oktober 2024“ finden Sie hier:  https://www.accounting-for-transparency.de/wp-content/uploads/2024/10/gbp_monitor_okt_2024.pdf

Weitere Informationen zum GBP-Monitor
Das German Business Panel befragt monatlich mehr als 800 Unternehmen und seit März 2024 mehr als 250 Wissenschaftler*innen zur Unternehmenslage in Deutschland und erhebt dabei Daten zu 1) erwarteten Umsatz-, Gewinn- und Investitionsänderungen, 2) unternehmerischen Entscheidungen, 3) der erwarteten Schließungsrate in der Branche und 4) der Zufriedenheit mit der Wirtschafspolitik. Zudem wird alle drei Monate zu besonders aktuellen Fragen berichtet.

 

 

Beteiligte Institutionen

Die Hauptstandorte vom TRR 266 sind die Universität Paderborn (Sprecherhochschule), die HU Berlin und die Universität Mannheim. Alle drei Standorte sind seit vielen Jahren Zentren für Rechnungswesen- und Steuerforschung. Hinzu kommen Wissenschaftler der LMU München, der Frankfurt School of Finance and Management, der Goethe-Universität Frankfurt, der Universität zu Köln und der Leibniz Universität Hannover, die die gleiche Forschungsagenda verfolgen.

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