Offenlegung des effektiven Steuersatzes – eine strategische Entscheidung?

Aufgrund der intensiven Medienberichterstattung über die Steuervermeidungsstrategien von Unternehmen, sorgen sich viele Unternehmen um ihre steuerliche Reputation. Die Zunahme von Medienberichten hat sowohl Unternehmen als auch Steuerbehörden für die bereitgestellten Steuerinformationen sensibilisiert. Die Fälle globaler Unternehmen, die Steuern umgehen und einen niedrigen oder gar null effektiven Steuersatz (ETR) aufweisen, wie Starbucks und Google, haben öffentliche Ressentiments ausgelöst und sogar zu sogenanntem „tax shaming“ dieser Unternehmen geführt. Art und Umfang der Offenlegung von Steuerinformationen in Jahresberichten ist daher für Unternehmen zu einer strategischen Entscheidung geworden. Ein Team von TRR 266-Forschenden beleuchtete diese Entwicklung und untersuchte, wann und warum Unternehmen ihre ETR hervorheben.

 

Auch wenn Informationen zur Unternehmensbesteuerung zunehmend in den Fokus rücken, gibt es nur wenig Forschung über das Berichtsverhalten zu steuerlichen Informationen und die Art und Weise, wie Unternehmen ihre Steuerinformationen präsentieren. Eine interessante Frage in diesem Zusammenhang ist zum Beispiel wann und wie Unternehmen über eine der wichtigsten steuerlichen Kennzahlen, die ETR, berichten. Die TRR 266-Forschenden Vanessa Flagmeier, Jens Müller und Caren Sureth-Sloane gingen dieser Frage nach, indem sie das Berichtsverhalten deutscher DAX30- und MDAX-Firmen über den Zeitraum von 2005 bis 2018 untersuchten. Sie fanden heraus, dass diese Unternehmen ihre ETR in den Jahresabschlüssen gezielt sichtbarer oder weniger sichtbar darstellen. Ausschlaggebend für die Entscheidung ist ein Zielkonflikt, dem die Unternehmen ausgesetzt sind.

 

Der Zielkonflikt bei ETR-Offenlegungsentscheidungen

Einerseits haben Unternehmen einen Anreiz die ETR hervorzuheben, wenn sie sich aus Investorenperspektive vorteilhaft entwickelt, wie etwa höhere erwartete Cashflows nach Steuern aufgrund niedriger Steuerbelastung. Andererseits könnte die Offenlegung einer vorteilhaften niedrigen ETR die Aufmerksamkeit und negative Reaktionen von Steuerprüfern und der Öffentlichkeit auf sich ziehen. Daher müssen Unternehmen Kosten und Nutzen einer bestimmten Darstellung der ETR in ihren Berichterstattungsentscheidungen abwägen.

 

Erhöhte Sichtbarkeit für günstige ETR

Die Studie zeigt eine erhöhte Sichtbarkeit der ETR, wenn die ETR aus Sicht der Aktionäre vorteilhaft ist. Das gilt für schwankungsarme ETRs, ETRs nahe am Branchendurchschnitt und abnehmende ETRs. Letzteres deutet darauf hin, dass Unternehmen die Sichtbarkeit der ETR auch dann erhöhen, wenn mit erheblichen Offenlegungskosten zu rechnen ist. Bei unvorteilhaften ETR-Bedingungen (volatilen ETRs), deuten die Ergebnisse jedoch auf eine Tendenz zu verminderter Sichtbarkeit hin. Interessanterweise und gegenläufig zu den Hauptergebnissen scheinen Familienunternehmen keine günstigen ETRs hervorzuheben.

 

Höhe der ETR und Grad der Abnahme

In zusätzlichen Untersuchungen analysieren die Forschenden verschiedene Muster von ETR-Rückgängen. Während mäßig sinkende ETRs bei einer relativ üblichen Höhe dieser Steuerquote eine hohe Sichtbarkeit aufweisen, werden extreme ETRs nicht hervorgehoben. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass der erwartete Nutzen der Offenlegung vorteilhafter ETRs die prognostizierten Kosten, die sich aus den Bedenken anderer Stakeholder ergeben, nur dann überkompensieren, wenn das ETR-Niveau und die Abnahme nicht ungewöhnlich sind.

 

Auswirkungen

Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass ETR-Angaben ein starkes Signal sind und als strategische Entscheidung genutzt werden können. Die Erkenntnisse sind aus Sicht von Anlegern wichtig, da sie sie ermutigen können, ETR-Informationen bei der Beurteilung des steuerlichen Status eines Unternehmens, der steuerlichen Risiken und letztlich bei ihrer Entscheidungsfindung zu berücksichtigen. Basierend auf dieser Untersuchung kann eine geringe Sichtbarkeit der ETR ein Indikator für eine unvorteilhafte oder extreme ETR sein. Dies könnte Anleger und andere Nutzer von Jahresabschlüssen dazu veranlassen, Steuerinformationen genauer zu hinterfragen.

 

*In diesem Beitrag wird ausschließlich zum Zweck der besseren Lesbarkeit auf die geschlechtsspezifische Schreibweise verzichtet. Alle personenbezogenen Bezeichnungen sind somit geschlechtsneutral zu verstehen.

 

Zitation des Blogs:

Flagmeier, V., Müller, J., Sureth-Sloane, C. (2021, Oktober 21). Offenlegung des effektiven Steuersatzes – eine strategische Entscheidung?, TRR 266 Accounting for Transparency Blog. https://www.accounting-for-transparency.de/de/blog/offenlegung-des-effektiven-steuersatzes-eine-strategische-entscheidung/

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