Dezember 2020: Prof. Per Olsson PhD
Per Olsson, Professor für Accounting und Direktor des Zentrums für Financial Reporting and Auditing an der ESMT Berlin, ist Projektleiter des Teilprojekts B05 „Transparency and the Equity Market”. Darin untersucht er, wie sich die Transparenz der Finanzberichterstattung auf die Informationsasymmetrie auf den Aktienmärkten auswirkt.
Accounting: bis ins kleinste Detail
Ich erinnere mich noch gut daran, wie ich meine Faszination für die empirische Accounting-Forschung entdeckt habe. Da war dieses eine Seminar, das mein Leben verändert hat. Ein Doktorandenseminar bei Katherine Schipper an der Universität Chicago. Damals war ich Gastdoktorand, studiert hatte ich Managerial Economics in Schweden, wo ich auch geboren und aufgewachsen bin.
Die Art und Weise wie Katherine Schipper die Inhalte des Kurses vermittelte und die Ernsthaftigkeit, mit der sie unterrichtete, hat bei mir großen Eindruck hinterlassen. Genauso wie die Inhalte selbst. Das Arbeitspensum war zwar hoch: pro Paper haben wir sechs bis zehn Stunden Vorbereitungszeit benötigt. Doch die intensive Auseinandersetzung mit den Kursinhalten hat sehr viel Spaß gemacht. Bis in die kleinsten Details der Rechnungslegung abzutauchen und sich mit den großen Gedanken der Forschenden auf diesem Gebiet auseinanderzusetzen, war großartig – und hat mich dahin geführt, wo ich heute bin.
Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen rate ich meinen Studenten immer wieder: Traut euch. Geht an die großen, namhaften Institute.
Forschung: Grenzen überschreiten
Für meinen Werdegang war die Zeit in den Vereinigten Staaten insgesamt sehr prägend. Für meine fachliche Entwicklung und mein Selbstverständnis als Forscher. Denn zu meiner Doktorandenzeit wurde in den Vereinigten Staaten die Forschung im Bereich Accounting noch mit einer größeren Ernsthaftigkeit betrieben, als das in vielen europäischen Ländern der Fall war. Das ist heute natürlich anders, die Forschung in diesem Bereich ist insgesamt viel globaler geworden.
Aufgrund meiner eigenen Erfahrungen rate ich meinen Studenten immer wieder: Traut euch. Geht an die großen, namhaften Institute. Geht dorthin, wo sehr intensiv geforscht wird. Danach wird euch vieles leichter fallen, selbst wenn ihr nur ein Semester oder ein Jahr dort verbracht habt. Insbesondere das Netzwerk, das ich mir dort aufbauen und – in den 20 Jahren, die ich dort verbracht habe – festigen konnte, hat mich in meiner Forschung entscheidend weitergebracht.
Die Zusammenarbeit mit vielen unterschiedlichen und auch jungen Forschern wirkt wie eine Injektion mit neuen Ideen und Perspektiven.
TRR 266: neue Netzwerke, neue Perspektiven
Ein gutes, umfassendes Netzwerk zu haben, ist für Forschung insgesamt sehr wichtig. Das ist übrigens auch ein großer Vorteil des TRR 266. Der Sonderforschungsbereich hat mir neue und spannende Netzwerke eröffnet. In meinem Alter kommt das einer Vitaminspritze gleich. Die Zusammenarbeit mit vielen unterschiedlichen und auch jungen Forschern wirkt wie eine Injektion mit neuen Ideen und Perspektiven. Sie belebt die eigene Forschung.
Auf die richtige Methode kommt es an
Gute empirische Forschung erfordert Rigor, akademische Strenge. Ich halte die Wahl der richtigen Methode und eines passenden Forschungsdesigns für entscheidend – und lege darauf in meiner Forschung besonderen Wert. Leider können wir in der Wissenschaft immer wieder falsche Nullbefunde beobachten, die auf ein nicht optimales, ineffizientes Forschungsdesign zurückzuführen sind. Das sollte natürlich um jeden Preis verhindert werden. Es ist äußerst schade, wenn man etwas nicht entdeckt, obwohl es da ist.
Gleichzeitig ist es mir wichtig, dieses Wissen auch an meine Studenten weiterzugeben. Zu beobachten, wie junge Menschen verstehen und verinnerlichen, was man ihnen beibringt, und später erfolgreich ihren Weg gehen, ist sehr erfüllend. Insbesondere bei Studenten, die zunächst mit eher geringen Erwartungen in die Kurse kommen und schließlich erkennen, wie faszinierend Accounting sein kann. Mit einigen meiner ehemaligen Studenten stehe ich noch im regelmäßigen Kontakt. Ich finde es schön, ihren weiteren beruflichen Werdegang und ihre Entwicklung verfolgen zu können.
Wir belegen empirisch, dass Rechnungslegungsinformationen für Aktionäre nützlich sind, insbesondere aus der Perspektive der Risikobewertung.
Empirische Evidenz in aktuellen Diskussionen
Innerhalb des TRR 266 forsche ich im Projekt B05. Zusammen mit Sönke Sievers erforsche ich derzeit, welche Rolle Accounting-Informationen bei der Einschätzung von Unternehmensrisiken spielen können. Da Accounting-Informationen die Vergangenheit abbilden, nehmen viele an, dass sie sich für die Vorhersage von Risiken nicht wirklich eignen. Unsere Forschung zeigt allerdings, dass auch das Gegenteil der Fall sein kann. Wenn man Rechnungslegungsinformationen richtig versteht und modelliert, können sie helfen, Unternehmensrisiken besser einzuschätzen. Mit unserer B05-Forschung können wir in aktuellen Diskussionen also für empirische Evidenz sorgen.
Wir untersuchen beispielsweise, inwiefern sich Aktienkurse und geschätzte fundamentale Unternehmenswerte gleichgerichtet entwickeln. Unseren Fokus legen wir dabei auf Risikobewertungen. Wir wenden Risikomessungen an, die auf Rechnungslegungs- und Marktdaten basieren. Auf diese Weise haben wir herausgefunden, dass sich der Aktienkurs und der fundamentale Unternehmenswert auf Ebene des gesamten US-Marktes zusammen bewegen, wenn wir im Gegensatz zur marktbasierten Risikomessung eine primär rechnungslegungsbasierte Risikomessung anwenden. Mit diesem Ergebnis belegen wir empirisch, dass Rechnungslegungsinformationen für Aktionäre nützlich sind, insbesondere aus der Perspektive der Risikobewertung. (siehe unser Working Paper Nr. 45)
Das ist ein weiteres Beispiel, wie Forschung über wichtige Fragen mit Bezug zu Praxis und Politik informieren kann – selbst, wenn sie sich mit stark methodologischen Fragestellungen beschäftigt.
Forschung mit Bezug zu Praxis und Politik
Zusammen mit Kollegen der Duke University und der Frankfurt School habe ich eine Studie veröffentlicht, die kürzlich von der Review of Accounting Studies als Publikation angenommen wurde. In der Studie beschäftigen wir uns mit einem Thema, das in der Accounting-Forschung allgegenwärtig ist. Wir untersuchen, wie Datenanforderungen, die uns häufig in der Archivforschung begegnen, eine datenbeschränkte, nicht-zufällige Stichprobe erzeugen können. Eine Stichprobe also, die eine nicht-zufällige Auswahl von Beobachtungen aus der Referenzstichprobe darstellt, auf die der Forscher die Ergebnisse gerne verallgemeinern würde.
Mit anderen Worten: Wenn wir zum Beispiel von der Stichprobe verlangen, dass Finanzanalysten nur Unternehmen betrachten, die Gewinne erwirtschaften oder bereits über mehrere Jahre am Markt etabliert sind, dann landen wir oft bei großen, stabilen, gut analysierten Unternehmen. Das bedeutet: Die Variationen zwischen den Unternehmen sind relativ gering. Das macht es schwierig, bestimmte Effekte zu messen. Beispielsweise Effekte in Bezug auf das Unternehmensrisiko. Und das nur, weil die risikoreicheren Unternehmen (z.B. Firmen mit Verlusten, junge Start-Up-Unternehmen usw.) nicht in der analysierten Stichprobe enthalten sind.
Daher entwickeln und validieren wir einen Resampling-Ansatz, der nur Beobachtungen aus der datenbeschränkten Stichprobe verwendet, um verteilungsangepasste Stichproben zu konstruieren, die sich zufällig gezogenen Stichproben aus der Referenzstichprobe (der Stichprobe aller Unternehmen) annähern. Ein weiteres Beispiel, wie Forschung über wichtige Fragen mit Bezug zu Praxis und Politik informieren kann – selbst, wenn sie sich mit stark methodologischen Fragestellungen beschäftigt.
Die im Beitrag geäußerten Ansichten geben die Meinung des Forschenden wieder und entsprechen nicht grundsätzlich der Meinung des TRR 266. Als Wissenschaftsverbund ist der TRR 266 sowohl der Meinungsfreiheit als auch der politischen Neutralität verpflichtet.