Umfrage: Entstehung und Auswirkungen von abweichenden steuerlichen Verrechnungspreisen

Die Bestimmung von steuerlichen Verrechnungspreisen führt häufig zu Konflikten zwischen Unternehmen und Finanzverwaltung. Dieses Problem wird dadurch verstärkt, dass die Verrechnungspreisregelungen in ihrer konkreten Ausgestaltung / Anwendung in vielen Ländern voneinander abweichen. Aus Unternehmenssicht besteht vor diesem Hintergrund die Gefahr von Doppelbesteuerung. Finanzverwaltungen sind dagegen bestrebt, Gewinnverlagerungen in Niedrigsteuerländer oder sogar die Entstehung weißer Einkünfte (d.h. Einkünfte, die in keinem der beiden Länder versteuert werden) zu verhindern. Nicht genau bekannt ist, wie Unternehmen mit inkonsistenten Verrechnungspreisregelungen umgehen. Ein Forscherteam hat deshalb anhand einer Umfrage mit Experten untersucht, wann abweichende steuerliche Verrechnungspreise entstehen und welche Auswirkungen sie haben.

Bei grenzüberschreitenden konzerninternen Transaktionen existiert kein Marktpreis. Um steuerlichen Ertrag und Aufwand zutreffend den beteiligten Ländern zuordnen zu können, wird deshalb eine Ersatzgröße benötigt: der steuerliche Verrechnungspreis.

Es gibt Regeln, die vorschreiben, wie Verrechnungspreise zu ermitteln sind. Viele Länder orientieren sich dabei an dem sog. Fremdvergleichsgrundsatz aus dem OECD-Musterabkommen. Die konkrete Ausgestaltung erfolgt allerdings in den nationalen Steuergesetzen und kann daher zwischen verschiedenen Ländern abweichen. Einige Länder folgen zudem nicht dem Fremdvergleichsgrundsatz. Wann genau entstehen jedoch diese Abweichungen? Geben Unternehmen bereits abweichende Verrechnungspreise in der Steuererklärung an? Oder kommt die Abweichung erst als Ergebnis einer Steuerprüfung zustande? Welche Folgen hat dies und welche Länder sind besonders betroffen?

Umfrage

Die Umfrage wurde über den Arbeitskreis Verrechnungspreise der Arbeitsgemeinschaft für wirtschaftliche Verwaltung e. V. (AWV) sowie den Steuerausschuss des Verbands der Chemischen Industrie e. V. (VCI) an insgesamt etwa 60 Verrechnungspreisexperten deutscher multinationaler Unternehmen verschickt. In diesem Beitrag werden nur die wichtigsten Ergebnisse genannt. Umfangreichere Informationen finden Sie in der Executive Summary von Markus Diller, Johannes Lorenz and Caren Sureth-Sloane.

Abweichungen entstehen gelegentlich schon in der Steuererklärung

Wenn die Verrechnungspreisregelungen von zwei Ländern so gestaltet sind, dass kein Preis von beiden Ländern als zulässig erachtet wird, müssten Unternehmen eigentlich bei der Abgabe der jeweiligen Steuererklärungen abweichende Verrechnungspreise zugrunde legen. Ca. 43% der Befragten gaben an, dass sie dies gelegentlich oder häufiger erlebt haben.

Abweichende Verrechnungspreisbestimmungen werden gelegentlich oder häufiger bei Abgabe der Steuererklärung zugrunde gelegt

 

Besonders häufig betrifft dies offenbar Transaktionen zwischen Deutschland und Brasilien. Die Problematik besteht jedoch auch im Verhältnis von Deutschland zu anderen EU-Ländern; am häufigsten zu Italien.

Abweichung bei Steuererklärung:
Brasilien, Indien und China werden häufig genannt

Deutschland und

Abweichungen zeigen sich sehr häufig als Ergebnis einer Steuerprüfung

Insbesondere werden Abweichungen im Rahmen einer Betriebsprüfung erwartet. Die Befragung bestätigt dies: Alle Teilnehmer*innen haben Abweichungen als Ergebnis einer Prüfung erlebt, 87% davon häufig oder sehr häufig.

Alle Teilnehmer*innen haben Abweichungen als Ergebnis einer Prüfung erlebt


Da Abweichungen als Ergebnis einer Steuerprüfung laut unserer Umfrage sehr häufig auftreten, haben die Teilnehmer*innen auch mehr Länder genannt, in denen sie solche Erfahrungen gemacht haben. Die Ergebnisse zeigen Abweichungen systematisch auch zwischen Deutschland und anderen EU-Ländern, insbesondere Italien.

Abweichung nach Prüfung: Auch EU-Länder oft betroffen

Deutschland und

 

Auswirkungen von abweichenden Verrechnungspreisen

Doppelbesteuerung

Aus Sicht von Unternehmen besteht insbesondere die Gefahr, dass abweichende Verrechnungspreise zu Doppelbesteuerung führen können. Tatsächlich geben auch alle Teilnehmer*innen an, Doppelbesteuerung erlebt zu haben.

Abweichende Verrechnungspreise können zu Doppelbesteuerung führen

Doppelbesteuerung nimmt zu

Laut den Ergebnissen unserer Umfrage scheint Doppelbesteuerung außerdem in den letzten fünf Jahren stark zugenommen zu haben. Die Teilnehmer*innen erwarten sogar eine Verstärkung dieser Dynamik.

(Starke) Zunahme von Doppelbesteuerung in den letzten 5 Jahren

Minderbesteuerung

Abweichende Verrechnungspreise können jedoch auch dazu führen, dass Einkünfte in keinem der beiden Länder besteuert werden – zusätzlich zu einer evtl. Gewinnverlagerung, die auch bei konsistenten Verrechnungspreisen möglich ist. 40% der Teilnehmer*innen gaben an, dass sie diesen Fall bereits erlebt haben.

Minderbesteuerung kommt selten vor

Auswirkungen

Basierend auf diesen Informationen untersucht das Forscherteam in einem theoretischen Modell das Zusammenspiel der Interessenslagen der beteiligten Akteure (multinationales Unternehmen, Steuerverwaltungen der beiden Länder) um herauszufinden, welche Folgen abweichende Verrechnungspreise für die unternehmensinterne Struktur, die Produktionsentscheidung sowie die Steuereinnahmen der beteiligten Länder haben. Ein Preprint dieses Papers wird demnächst hier veröffentlicht.

 

Zitation dieses Blogs:

Sureth-Sloane, C., & Lorenz, J. (2021, März 16). Umfrage: Entstehung und Auswirkungen von abweichenden steuerlichen Verrechnungspreisen, TRR 266 Accounting for Transparency Blog. https://www.accounting-for-transparency.de/de/survey-emergence-and-impact-of-inconsistent-tax-transfer-prices/

 

More Information

Die Umfrage wurde von Markus Diller (Universität Passau), Johannes Lorenz und Caren Sureth-Sloane (beide Universität Paderborn) durchgeführt. Die Stichprobe ist nicht repräsentativ, erfüllt jedoch den Anspruch, die Einschätzung hochqualifizierter und spezialisierter Expert*innen abzubilden, die entsprechende Entscheidungspositionen in multinationalen Unternehmen innehaben. Mehr als zwei Drittel (70 %) der Teilnehmer verfügen über einen Masterabschluss (oder äquivalent), mehr als ein Viertel (26 %) ist promoviert. 83 % arbeiten seit mehr als zehn Jahren im Bereich steuerliche Verrechnungspreise.

Antworten

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