Wer trägt die Steuerlast wirklich? Wie sich Unternehmenssteuern auf Verbraucher auswirken
Welchen Einfluss haben Unternehmenssteuern auf Verbraucher? Zahlen Verbraucher auch einen Teil der Steuer? Diese Fragen beantwortet eine umfassende Studie der TRR 266-Forscher Martin Jacob (WHU – Otto Beisheim School of Management), Maximilian Müller (Universität Köln) und Thorben Wulff (WHU – Otto Beisheim School of Management), die kürzlich in „Contemporary Accounting Research“ veröffentlicht wurde. Durch die Analyse von Benzinpreisdaten aus Deutschland zeigen sie, wie Steuergesetze, die zu einer effektiven Erhöhung der Unternehmenssteuersätze führen, höhere Preise verursachen und unbeabsichtigte Folgen für Verbraucher haben können.
Unter politischen Entscheidungsträger herrscht die Annahme, dass die Last der Unternehmenssteuern eher auf Unternehmenseigentümer und -mitarbeiter als auf Verbraucher fällt. Das Joint Committee on Taxation weist beispielsweise 25 % der Unternehmenssteuerbelastung dem Faktor „Arbeit“ und den Rest den Firmeninhabern zu. Aber ist das wirklich der Fall? Unsere Forschungsergebnisse stellen diese Annahme in Frage und geben Aufschluss darüber, wie höhere Unternehmenssteuern zu höheren Verbraucherpreisen führen können.
In unserer Studie konzentrieren wir uns auf den deutschen Einzelhandelsmarkt für Benzin. Dieser eignet sich besonders gut, da es deutliche Unterschiede bei den örtlichen Gewerbesteuersätzen gibt und detaillierte Preisinformationen verfügbar sind. Unsere Stichprobe umfasst Daten von rund 15.000 Tankstellen und 4.474 deutschen Kommunen. In Deutschland kann jede Kommune ihren eigenen Gewerbesteuersatz festlegen. Diese Steuersätze schwanken zwischen 7 % und 19,25 %, was im Vergleich zum bundesweit einheitlichen Körperschaftssteuersatz von 15 % einen erheblichen Unterschied hinsichtlich der gesamten Steuerbelastung machen kann. Wir wollten verstehen, wie sich diese verschieden hohen Gewerbesteuersätze auf Verbraucherpreise auswirken. Andere relevante Steuern bleiben unternehmensübergreifend konsistent und werden auch nicht von größeren wirtschaftlichen Veränderungen beeinflusst – was sie für die Analyse von Steuereffekten weniger geeignet macht.
Verbraucher tragen 64 % der Unternehmenssteuerlast
Unsere Untersuchungen zeigen, dass durch höhere Unternehmenssteuern die Verbraucherpreise steigen und Verbraucher etwa 64 % der Unternehmenssteuerlast tragen. Entgegen der allgemeinen Annahme, dass Unternehmensinhaber und -mitarbeiter die Steuerlast tragen, ergibt sich durch dieses Ergebnis ein anderes Bild. Die durchschnittliche Gewerbesteuer beträgt zwar 14 %, aber es wird ein erheblicher Anteil an die Verbraucher weitergegeben. Unsere Analysen zeigen, dass eine Erhöhung des Gewerbesteuersatzes um einen Prozentpunkt zu einem Anstieg der Benzinpreise um 0,1 Eurocent pro Liter führt. Obwohl dies im Vergleich zum durchschnittlichen Benzinpreis von 1,39 Euro pro für E5 (Benzin mit 5 % Ethanol) während unseres Untersuchungszeitraums gering erscheint, ist es wichtig zu beachten, dass etwa 90 % des Benzineinzelhandelspreises festgelegt und die Margen gering sind. Daher ist selbst dieser kleine Anstieg erheblich. Unsere Ergebnisse erstrecken sich über mehrere Jahre und deuten auf ein einseitiges Muster hin: Auch wenn Steuererhöhungen zu höheren Preisen führen, führen Steuersenkungen nicht unbedingt zu niedrigeren Preisen.
Beeinflussende Faktoren
Das Ausmaß dieser Steuerweitergabe an Verbraucher ist nicht einheitlich, sondern variiert unter verschiedenen Voraussetzungen:
- Begrenzte Steuerplanungsmöglichkeiten: Bei der Untersuchung verschiedener Dimensionen der Steuerinzidenz stellen wir fest, dass die Verbraucher fast die gesamte Steuerlast tragen, wenn die Steuerplanungsmöglichkeiten begrenzt sind oder die Steuerdurchsetzung strenger ist. Wenn die Steuerplanungsmöglichkeiten größer oder die Steuerdurchsetzung schwächer sind, wird der Effekt schwächer. In diesem Fall trägt der Verbraucher nahezu keinen Teil der Steuerlast.
- Fremdkapital vs. Eigenkapitalfinanzierung: Darüber hinaus wirkt sich die Wahl der Finanzierung – Fremdkapital versus Eigenkapital – auf die Steuerbelastung aus. Die Kosten der Fremdkapitalfinanzierung sind steuerlich absetzbar (und wirken somit als Steuerschutz), während dies bei Eigenkapitalfinanzierung nicht der Fall ist. Unternehmen, die mehr Fremdfinanzierung nutzen, geben daher weniger Steuern an die Verbraucher weiter. Diese Ergebnisse deuten darauf hin, dass andere Methoden zur Verringerung der Steuerlast, wie die Nutzung von Steuervorteilen oder die Vermeidung von Steuern, dazu führen, dass Verbraucher weniger Steuern zahlen müssen.
- Marktmacht und Nachfrageelastizität: Wie viel Kontrolle ein Unternehmen auf dem Markt hat und wie empfindlich Kunden auf Preisänderungen reagieren, zeigt sich auch dadurch, wie stark sich Steuern auf die Verbraucher auswirken. Tankstellen, die einem geringeren lokalen Wettbewerb und einer weniger elastischen Verbrauchernachfrage ausgesetzt sind, geben einen höheren Anteil der Steuern an die Verbraucher weiter.
Über den Preis hinausgehende Konsequenzen
Neben höheren Verbraucherpreisen beeinflussen höhere Unternehmenssteuersätze auch die Investitionsentscheidungen und die Marktpräsenz der Tankstellen. Konkret führen höhere Steuern zu geringeren Investitionen und zu möglichen Marktaustritten.
Steuerliche Auswirkungen verstehen und bewältigen
Unsere Ergebnisse helfen zu verstehen, wie sich die Unternehmenssteuerpolitik auf verschiedene Interessengruppen und nicht nur Unternehmen auswirkt sowie weitreichende wirtschaftliche und gesellschaftliche Auswirkungen hat. Angesichts der jüngsten politischen Maßnahmen, wie eine globale Mindeststeuer oder eine höhere Körperschaftssteuerbelastung, zeigen diese Erkenntnisse, dass Verbraucher den Preis für solche Initiativen möglicherweise über höhere Verbraucherpreise zahlen. Unsere Studie zeigt auch, wie verfügbare Steuerplanungsmöglichkeiten die Auswirkungen von Unternehmenssteuern auf die Verbraucherpreise beeinflussen können. Diese Erkenntnisse sind sowohl für politische Entscheidungsträgern als auch für Unternehmen von Bedeutung, wenn es darum geht, die steuerlichen Auswirkungen zu verstehen und zu bewältigen. Regulierungsbehörden können diese Ergebnisse nutzen, um die Steuerpolitik zu optimieren, und so die Generierung von Einnahmen mit wirtschaftlicher Stabilität und Wachstum in Einklang zu bringen und um unbeabsichtigte Folgen für die Verbraucher abzumildern. Unternehmer erhalten ein besseres Verständnis für die Marktdynamik und erfahren, wie sich Unternehmenssteuern auf ihre Investitionen, Preisstrategien und den gesamten Geschäftsbetrieb auswirken können. Mit dieser Erkenntnis können sie ihre Geschäftsstrategien entsprechend anpassen.
Ausblick für die weitere Forschung
Unsere Forschung bietet einen robusten empirischen Rahmen für weitere Untersuchungen zu steuerlichen Weitergabemechanismen und fördert die Erforschung verwandter Themen wie Marktmachtdynamik und Steuerplanung. Während sich unsere Studie auf einen bestimmten Markt konzentriert, eröffnet sie Möglichkeiten für zukünftige Forschung. Es kann unter anderem untersucht werden, inwieweit diese Ergebnisse auf andere Märkte oder Länder anwendbar sind, was dazu beitragen könnte, ein umfassenderes Verständnis der Auswirkungen der Unternehmenssteuerpolitik zu entwickeln.
Disclaimer: Aufgrund der besseren Lesbarkeit wird im Text das generische Maskulinum verwendet. Gemeint sind jedoch immer alle Geschlechter.
Zitation dieses Blog:
Jacob, M., Müller, M., Wulff, T. (2024, Januar 24). Wer trägt die Steuerlast wirklich? Wie sich Unternehmenssteuern auf Verbraucher auswirken, TRR 266 Accounting for Transparency Blog. https://www.accounting-for-transparency.de/de/wie-sich-unternehmenssteuern-auf-verbraucher-auswirken
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