{"id":1107,"date":"2020-03-13T12:44:38","date_gmt":"2020-03-13T11:44:38","guid":{"rendered":"https:\/\/www.accounting-for-transparency.de\/blog\/warum-u-s-politiker-aktiv-in-die-regulierung-der-rechnungslegung-eingreifen\/"},"modified":"2024-05-05T13:28:13","modified_gmt":"2024-05-05T11:28:13","slug":"warum-u-s-politiker-aktiv-in-die-regulierung-der-rechnungslegung-eingreifen","status":"publish","type":"post","link":"https:\/\/www.accounting-for-transparency.de\/de\/warum-u-s-politiker-aktiv-in-die-regulierung-der-rechnungslegung-eingreifen\/","title":{"rendered":"Warum (U.S.) Politiker*innen aktiv in die Regulierung der Rechnungslegung eingreifen"},"content":{"rendered":"
Die TRR 266 Wissenschaftler Jannis Bischof und Holger Daske haben zusammen mit Christoph Sextroh (Tilburg) \u00f6ffentliche Stellungnahmen von U.S.-Kongressabgeordneten analysiert, um den Einfluss von Politiker*innen auf Rechnungslegungsvorschriften zu ermitteln. Sie stellten fest, dass fast ein Drittel der Politiker*innen aktiv an den wesentlichen Details der Rechnungslegungsvorschriften beteiligt war. Wichtiger: Das Forschungsteam konnte bei der Beantwortung der Frage, warum diese Politiker*innen intervenierten, zwei Hauptgruppen identifizieren. Die eine Gruppe war durch ihre Ideologie motiviert, die andere durch ihre starken Verbindungen zur Industrie. Die erste Gruppe greift unregelm\u00e4\u00dfig ein \u2013 meist, wenn das Thema \u201ahei\u00df\u2018 ist \u2013 w\u00e4hrend letztere durchgehend beteiligt ist. Bischof und Daske erl\u00e4utern diesen politischen Prozess zur Standardsetzung im Folgenden.<\/span><\/p>\n \u00a0<\/strong><\/p>\n Regulierung, und insbesondere ein technisches Thema wie die Finanzbuchhaltung, wird oft als Angelegenheit f\u00fcr B\u00fcrokrat*innen aufgefasst \u2013 und nicht als Angelegenheit f\u00fcr Politiker*innen. Dabei wird allerdings vernachl\u00e4ssigt, dass viele Buchf\u00fchrungsregeln reale wirtschaftliche oder soziale Konsequenzen haben. Zum Beispiel haben Rechnungslegungsvorschriften f\u00fcr Aktienoptionspl\u00e4ne einen direkten Einfluss darauf, wie Unternehmen ihr Management verg\u00fcten. \u00c4hnlich wirkt sich die buchhalterische Bewertung von Bankverm\u00f6gen auf das Mindesteigenkapital aus. Weniger restriktive Anforderungen f\u00fcr die Anerkennung von Verlusten verringern somit die Wahrscheinlichkeit von Bankenrettungsaktionen.<\/p>\n <\/p>\n Wir haben die \u00f6ffentlichen Ansprachen aller 435 Abgeordneten des U.S.-Kongresses systematisch \u00fcberpr\u00fcft \u2013 Fernseh- und Radiointerviews, Pressemitteilungen und Ansprachen eingeschlossen \u2013 was zu einem reichen Datensatz an Statements gef\u00fchrt hat. Wir haben unseren Fokus auf die USA gelegt, weil wir \u00fcber einen systematischen Zugang zu Daten \u00fcber die finanziellen Verbindungen von Kongressabgeordneten verf\u00fcgen. Auf Basis dieser Daten erl\u00e4utern wir, warum sich hochrangige Politiker*innen derart f\u00fcr die vermeintlich technischen Aspekte von Rechnungslegung interessiert haben, anstatt dieses Themenfeld Expert*innen zu \u00fcberlassen. Wir haben herausgefunden, dass die Politiker*innen, die intervenierten, in zwei verschiedene Gruppen eingeteilt werden k\u00f6nnen: Die eine Gruppe war durch ihre ideologische Sichtweise auf wirtschaftliche und soziale Konsequenzen der Regulierung motiviert, die andere wurde durch ihre Verbindungen zur Industrie und letztlich durch ihre speziellen Interessen angetrieben.<\/p>\n <\/p>\n Eine bestimmte Gruppe von Politiker*innen ist ideologisch motiviert und greift nur in politische Debatten ein, wenn das Thema insbesondere in den Medien ein ziemlich hohes Ma\u00df an \u00f6ffentlicher Aufmerksamkeit erh\u00e4lt. Im Grunde genommen konzentriert sie sich auf die wirtschaftlichen Folgen der Regulierung, wie beispielsweise Bankenrettungen oder die Einschr\u00e4nkung potenziell \u00fcberh\u00f6hter Managementverg\u00fctungen. Diese Politiker*innen teilen eine starke und homogene ideologische Sicht hinsichtlich dieser Konsequenzen. Wir beobachten zum Beispiel, dass sehr fiskalkonservative Republikaner*innen, die sich strikt gegen staatliche Interventionen und Bankenrettungsaktionen aussprechen, eine Lockerung der Rechnungslegungsvorschriften bef\u00fcrworten, die das Kapital der Banken k\u00fcnstlich erh\u00f6hen. Ebenso sehen wir, dass linksliberale Demokrat*innen, die sich f\u00fcr eine Begrenzung der Managementverg\u00fctung einsetzen, f\u00fcr die Anerkennung aller Ausgaben f\u00fcr Aktienoptionen pl\u00e4dieren und damit Aktienoptionspl\u00e4ne f\u00fcr Unternehmen weniger attraktiv machen.<\/p>\n <\/p>\n Eine zweite Gruppe von Politiker*innen ist regelm\u00e4\u00dfiger involviert und \u00fcbt gr\u00f6\u00dferen Einfluss auf die technische Gestaltung der Vorschriften aus. Sie legen weniger Wert auf die wirtschaftlichen Folgen der Regulierung als vielmehr auf technische Faktoren wie die Ertragsvolatilit\u00e4t pro Aktie, die sich auf die Relevanz und Vorhersehbarkeit von Gewinnen bezieht. Dieser Fokus l\u00e4sst sie objektiver und sachlicher in ihrer Argumentation wirken. Wir haben jedoch beobachtet, dass gerade diese Gruppe, durch beispielsweise finanzielle Kampagnenbeitr\u00e4ge, starke Verbindungen zu den betroffenen Interessengruppen hat. Diese Gruppe von Politiker*innen bezieht in der Regel Stellung zu Regelungen, die mit den wirtschaftlichen Interessen dieser Gruppen in Einklang stehen. Wer zum Beispiel Wahlkampfspenden von der Finanzindustrie erh\u00e4lt, setzt sich eher f\u00fcr Rechnungslegungsvorschriften ein, die den Banken helfen, in Krisenzeiten Verlustmeldungen zu vermeiden, um ihr Eigenkapital zu bewahren.<\/p>\n <\/p>\n Unsere Forschung zeigt, dass wirtschaftliche Interessengruppen (in den USA) in der Lage sind, \u00fcber Politiker*innen Einfluss auf die technische Regulierung der Rechnungslegung zu nehmen und dadurch ihre eigenen wirtschaftlichen Interessen durchzusetzen. Obwohl vieles, was in Europa passiert, hinter geschlossenen T\u00fcren stattfindet, vermuten wir, dass solche Verbindungen zur Industrie auch hier zu finden sind. Die wichtigste Lektion, die wir gelernt haben, besteht darin, dass wir Rechnungslegungsstandards nicht isoliert von politischen Einfl\u00fcssen und ideologischen Ansichten \u00fcber ihre Folgen betrachten k\u00f6nnen. Stattdessen sollten wir die Festlegung von Rechnungslegungsstandards so betrachten, dass sie denselben politischen Kr\u00e4ften unterliegen, die auch die Politik in anderen Bereichen pr\u00e4gen.<\/p>\n Unser Team untersucht derzeit empirisch, wie sich Unternehmen bei der Offenlegung von Risiken verhalten und befasst sich mit den Bestimmungsfaktoren f\u00fcr freiwillige Entscheidungen sowie mit Reaktionen von Unternehmen auf Offenlegungsvorschriften.<\/p>\n <\/p>\n Lesen Sie den vollst\u00e4ndigen Artikel \u201eWhy Do Politicians Intervene in Accounting Regulation? The Role of Ideology and Special Interests\u201d von Jannis Bischof, Holger Daske und Christoph J. Sextroh im Journal of Accounting Research<\/em>. https:\/\/doi.org\/10.1111\/1475-679X.12300<\/strong><\/a>.<\/p>\n <\/p>\n Zitation dieses Blogs:<\/p>\n Bischof, J., & Daske, H. (2020, M\u00e4rz 13). Warum (U.S.) Politiker*innen aktiv in die Regulierung der Rechnungslegung eingreifen, TRR 266 Accounting for Transparency Blog. <\/em>https:\/\/www.accounting-for-transparency.de\/de\/warum-u-s-politiker-aktiv-in-die-regulierung-der-rechnungslegung-eingreifen\/<\/p>\n","protected":false},"excerpt":{"rendered":" Das Forschungsteam konnte zwei Hauptgruppen identifizieren: Die eine war durch ihre Ideologie motiviert, die andere durch ihre starken Verbindungen zur Industrie. <\/p>\n","protected":false},"author":1,"featured_media":2010,"comment_status":"open","ping_status":"open","sticky":false,"template":"","format":"standard","meta":{"_acf_changed":false,"footnotes":""},"categories":[341,146],"tags":[117,155],"class_list":["post-1107","post","type-post","status-publish","format-standard","has-post-thumbnail","hentry","category-rechnungslegung","category-rechnungswesen","tag-accounting-regulation-de","tag-us-de"],"acf":[],"yoast_head":"\n\u00dcberpr\u00fcfung \u00f6ffentlicher Statements<\/strong><\/h3>\n
Ideologie<\/strong><\/h3>\n
Verbindungen zur Industrie<\/strong><\/h3>\n
Auswirkung<\/strong><\/h3>\n