Steuerdumping in Deutschland? TRR-266 Forscherteam widerlegt Grünen-Studie
„Konzerne zahlen in der EU zu wenig Steuern“ – so oder so ähnlich titelten Anfang des Jahres viele deutsche Zeitungen. Jetzt haben Wissenschaftler des DFG-Sonderforschungsbereichs „TRR 266 Accounting for Transparency“ herausgefunden: Das ist so – zumindest für Deutschland – nicht ganz richtig. Denn die Studie, auf der diese Annahme beruht, weist erhebliche Mängel auf.
Anfang des Jahres sorgte eine Studie „Effective Tax Rates of Multinational Enterprises in the EU“ (Janský 2019), die die Grünen im Europaparlament beauftragt haben, für ordentlich Wirbel. Das Medienecho war groß. Immerhin brachte sie vermeintlich Brisantes ans Licht. Nämlich, dass Unternehmen in der Europäischen Union nur selten den gesetzlich vorgeschriebenen Steuersatz zahlen. So auch in Deutschland: Eigentlich liegt hier die Abgabenlast bei 29,5 Prozent, abgeführt an den Fiskus hätten die Unternehmen im Durchschnitt aber nur 19,6 Prozent, hieß es in der Studie. Eine Nachricht, die viele Gemüter erregte und auch politisch Wellen schlug.
Methodische Ungenauigkeiten wiegen schwer
Wie sich nun herausstellt, ist dieses Resultat allerdings weniger brisant, als vielmehr falsch. Zu dem Ergebnis kommen Hans-Peter Huber und Prof. Dr. Ralf Maiterth an der Humboldt-Universität Berlin. Die Berliner Wirtschaftswissenschaftler haben die Studie wissenschaftlich überprüft: „Dabei sind uns methodische Unzulänglichkeiten aufgefallen, die das Ergebnis entscheidend beeinflusst haben“, erklärt Huber.
So enthält die Datenbasis, auf die sich die Studie bezieht, auch gemeinnützige Unternehmen, die in Deutschland regulär von der Steuer befreit sind – und Personengesellschaften, bei denen lediglich die Gewerbesteuer als Steueraufwand des Unternehmens ausgewiesen wird, bei denen aber auch die Einkommensteuer mit zu berücksichtigen wäre. Hinzu kommt, dass zur Errechnung des effektiven Steuersatzes der Steueraufwand ins Verhältnis zum handelsrechtlichen Gewinn gesetzt wurde. Da im handelsrechtlichen Gewinn auch Dividenden enthalten sind, die zur Vermeidung von Mehrfachbesteuerung gesetzlich steuerfrei gestellt sind, weist die Studie von Janský zu geringe effektive Steuersätze aus.
Wichtiger Beitrag für mehr Transparenz
„Korrigiert man diese und weitere Unzulänglichkeiten, sieht das Ergebnis gänzlich anders aus“, erklärt Maiterth. „Für in Deutschland tätige Unternehmen haben wir im Durchschnitt einen effektiven Steuersatz von 29,1 Prozent errechnet. Das entspricht nahezu dem staatlich vorgeschriebenen Steuersatz.“ Von „Steuerdumping“ kann also nicht die Rede sein – zumindest nicht auf Grundlage dieser Studie. „Unser Ergebnis bedeutet nicht, dass es keinerlei Steuergestaltungen zu Lasten des deutschen Fiskus gibt. Nur lassen sich diese nicht anhand von unternehmerischen Einzelabschlüssen identifizieren“, so Huber.
Huber und Maiterth leisten damit einen wichtigen Beitrag für mehr Transparenz im für viele undurchdringlichen Steuer-Dschungel. Ihre Forschungsarbeit ist Teil eines überregionalen Sonderforschungsbereichs der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) der Universität Paderborn, der Humboldt-Universität Berlin und der Universität Mannheim sowie Forschenden von fünf weiteren Universitäten. Mit dem Projekt hat die DFG im Mai 2019 erstmalig einen Sonderforschungsbereich mit einem reinen BWL-Schwerpunkt bewilligt. Das Team von mehr als 80 Forscherinnen und Forschern untersucht, wie Rechnungswesen und Besteuerung die Transparenz von Unternehmen beeinflussen und wie sich Regulierungen und Unternehmenstransparenz auf Wirtschaft und Gesellschaft auswirken. Ziel ist es, dazu beizutragen, eine wirksame Regulierung für Unternehmenstransparenz und ein transparentes Steuersystem zu entwickeln.