Steuerwissenschaftler schlagen einen sofortigen Verlustrücktrag zur Bekämpfung von Liquiditätsengpässen vor
TRR 266-Forscherteam für steuerliche Corona-Soforthilfe
Die Steuerwissenschaftler im TRR 266 kommen zu dem Ergebnis, dass ein sofortiger Verlustrücktrag wichtig ist, um betroffenen Unternehmen kurzfristig Liquidität zur Verfügung zu stellen.
Die durch das SARS-CoV-2 Virus entstandene Ausnahmesituation in Deutschland, Europa und vielen anderen Ländern bringt gesunde Unternehmen und Selbständige in große akute Schwierigkeiten und gefährdet dadurch zahlreiche Arbeitsplätze. Das größte Problem ist die fehlende Liquidität, die durch Umsatzeinbruch bei gleichzeitig weiterlaufenden Zahlungsverpflichtungen (Gehältern, Miete) entsteht. Zahlreiche Stimmen fordern dementsprechend kurzfristige Finanzhilfen bei Liquiditätsengpässen der Unternehmen und Selbständigen und zum Erhalt der Arbeitsplätze.
Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler des DFGSonderforschungsbereichs TRR266 „Accounting for Transparency“ haben vor diesem Hintergrund unterschiedliche steuerliche Ansatzpunkte zur Bereitstellung dieser Liquiditätshilfen analysiert.
Wir, Steuerwissenschaftler im TRR 266, sind der Ansicht, dass die bisher von der Bundesregierung ergriffenen Maßnahmen in die richtige Richtung gehen. Darüber hinaus kommen wir zu dem Ergebnis, dass ein sofortiger Verlustrücktrag wichtig ist, um betroffenen Unternehmen kurzfristig zusätzliche Liquidität zur Verfügung zu stellen.
Begründung
- Die Maßnahmen zur Herstellung der Liquidität müssen so kurzfristig und unbürokratisch erfolgen, dass eine Antragstellung mit Bedürftigkeitsprüfung im Einzelfall entfällt.
- Die Liquiditätsversorgung sollte dennoch unternehmensspezifisch ausgestaltet sein, d.h. eine pauschale Überweisung eines Betrages unabhängig von der Größe des Unternehmens ist nicht sinnvoll.
- Eine Orientierung am Gewinn des Vorjahres stellt kurzfristig und unbürokratisch eine unternehmensspezifische Hilfe sicher.
- Die vorgeschlagenen Maßnahmen stellen keine Steuersenkung dar, sondern sind eine zeitliche Verschiebung der Steuerbelastung, um unbürokratisch Soforthilfe zu leisten.
Zur Durchführung
Einkommensteuer/Körperschaftsteuer:
- Auf Basis des letzten verfügbaren Steuerbescheides sollte die aus diesem hervorgehende gezahlte Einkommensteuer bzw. Körperschaftsteuer sofort auf formlosen Antrag des Steuerpflichtigen zurücküberwiesen werden.
- Diese Liquiditätsversorgung sollte unabhängig von der Größe der betroffenen Unternehmen erfolgen und wird nicht verzinst.
- Je nach gewünschter Liquiditätswirkung könnte auch über eine anteilige Auszahlung diskutiert werden. So könnten je nach geschätzter Dauer der wirtschaftlichen Probleme (3, 6, 12 Monate in 2020) 3/12, 6/12 oder die volle Steuer erstattet werden.
- Die Rücküberweisung entspricht einem Verlustrücktrag, bei dem ein aktuell entstehender Verlust sofort, während des laufenden Veranlagungszeitraums, mit Gewinnen des Vorjahres verrechnet wird. Dazu ist der Verlustrücktrag gemäß § 10d EStG zeitlich und betragsmäßig zu erhöhen. Analog zum jetzigen § 10d EStG sollte hierbei am vorjährigen Gesamtbetrag der Einkünfte angesetzt werden und nicht an der Steuerzahlung. Dadurch kann beispielsweise sichergestellt werden, dass ein sofortiger Verlustrücktrag nicht versagt wird, wenn durch im Vorjahr durchgeführte Verlustverrechnung die vorjährige Steuerzahlung Null betragen kann. Eine Erweiterung dieses sofortigen Rücktragszeitraumes von einem Jahr (Vorjahr) auf das davorliegende Jahr wäre denkbar.
Ähnliche Vorschläge werden bereits von Bundestagsabgeordneten diskutiert; mit unserer Forderung unterstützen wir nachdrücklich diese Ideen, z.B. der negativen Gewinnsteuer.
Gewerbesteuer:
- Zumindest anteilig sollte eine Rückzahlung an den Steuerpflichtigen auch für die Gewerbesteuer gelten, die Kapitalgesellschaften durchschnittlich in der gleichen Höhe wie die Körperschaftsteuer belastet, aber auch Personengesellschaften trotz pauschalierter Gewerbesteueranrechnung zum Teil belastet. Die Gewerbesteuer kennt jedoch keinen Verlustrücktrag. Technisch entspräche dies daher einer Vorauszahlung auf eine zukünftig erfolgende Verlustverrechnung.
Umsetzung
- Die gesetzliche Grundlage muss noch in dieser Sitzungswoche im Bundestag (letzte Märzwoche) geschaffen werden.
- Die Steuerauszahlungen müssen unbürokratisch, ohne Antragsformulare und innerhalb von wenigen Tagen ausgezahlt werden. Eine formlose Meldung über die fehlende Möglichkeit, die Geschäftstätigkeit auszuüben, oder den grob geschätzten Umsatzeinbruch genügen.
- Die Steuerauszahlungen durch den sofortigen Verlustrücktrag sind zeitlich befristet einzuführen.
Direkthilfen in nicht abgedeckten Fällen
- Es gibt betroffene Unternehmen und Selbständige, die durch diesen Vorschlag nicht hinreichend versorgt werden, bei denen aber eine weitergehende Liquiditätshilfe anzustreben wäre. Beispiele sind Unternehmen, die Arbeitsplätze geschaffen haben, aber (noch) nicht profitabel sind. Diese Hilfe sollte besser außerhalb des Steuersystems durch Direkthilfe, z. B. in Abhängigkeit von der Sozialversicherungsbeitragshöhe, erfolgen.